Die Vampire
Miss Katharine Reed mit. Der hervorragende Diplomat, dessen Verdienste um sein Land zu Lebzeiten nur gelegentlich in den Blick der Öffentlichkeit rückten, hat während seiner langen Laufbahn in verschiedenen Funktionen dem Indian Civil Service angehört, dem Auswärtigen Amt, der Royal Air Force sowie während des Krieges der »Denkfabrik« von Lord Ruthvens Regierung der Nationalen Einheit. Er war langjähriges Mitglied des Diogenes-Clubs in der Pall Mall, einer privaten Institution, für die er zeitweise auch im Vorstand tätig war und die bis heute von zahlreichen Angehörigen des öffentlichen Dienstes bevorzugt wird.
Geboren 1853 in Indien als Sohn von Major Marcus Aurelius Beauregard von der 4. Bombay Native Infantry und der früheren Miss Sophie Pennington aus Locksley Barret, studierte Charles Beauregard in Oxford am Dulwich College und am Merton College. Seine kurze Ehe mit der früheren Miss Pamela Churchward aus Chelsea (1882-83) blieb kinderlos. Er lehnte zweimal den Ritterschlag ab. Zu seinen seltenen Veröffentlichungen gehörten zwei Gedichtbände, The Matter of Britain und The Britain of Matter. Er wird auf dem Protestantischen Friedhof in Rom beigesetzt, der letzten Ruhestätte von Keats und Shelley. Die Trauerfeier findet im engsten Kreise statt.
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Kate verliebt
S eit der Beerdigung hatte Kate so viel Blut in sich hineingeschüttet, wie sie nur kriegen konnte, berauscht vom roten Durst. Sie war in der vergangenen Woche immerhin zweimal in ihre Pension zurückgekehrt, hatte aber nicht geschlafen. Selbst nach dem Trinken und der körperlichen Liebe konnte sie nicht einschlafen, sondern wurde von unruhigen Gedanken und hartnäckigen Erinnerungen gequält. Marcello dagegen schlief in derselben Sekunde ein, in der sie fertig waren, versank in einer Mattigkeit, die tiefer als jede vampirische Trägheit war. Wenn sie miteinander im Bett waren, nahm er die Sonnenbrille ab, ließ die Socken jedoch an. Sehr romantisch. Vielleicht waren die Italiener dadurch zu ihrem Ruf gekommen, tolle Liebhaber zu sein.
Sie befanden sich in seiner Wohnung, einer modernen Schuhschachtel in einer Vorstadt, die aus verstreuten Beton-Glas-Bunkern mit neutralen Rasenflächen darum herum bestand. An seinen Außenrändern war Rom so deutlich vom Land abgegrenzt wie eine Klippe vom Meer.
Die Einrichtung war modisch karg, wenige Möbel und keinerlei Nachschlagewerke oder Zeitschriftenstapel, die Kate eigentlich erwartet hatte. Sie drohte zu Hause immer in Papier zu versinken. Marcello besaß nicht einmal eine Schreibmaschine. Er diktierte seine Artikel immer, lieferte Notizen, die von Bearbeitern stilistisch in Form gebracht wurden. In dem einen Zimmer stand nur ein weißes Telefon mit Wählscheibe auf dem Fußboden - das berühmte telefono bianco, einst einer der Luxusbeweise in Italien. Sein langes goldenes Kabel schlängelte sich die nackten Dielen entlang.
Obwohl ihr Marcellos Körper und auch seine Seele so vertraut
waren, wie sie es nur sein konnten, wusste sie viele Einzelheiten aus seinem Leben noch immer nicht. Sie hatte irgendwann seinen Familiennamen erfahren, aber im Augenblick war er ihr entfallen. Woher stammte er? Lebten seine Eltern noch? Das alles spielte keine Rolle. Er war jemand, der im Moment lebte, in der Gegenwart, der perfekt hineinpasste in dieses Atomzeitalter mit seinem Gefühl von Unbeständigkeit. Er wusste wenig über Kate, hatte sich ihr aber ganz geöffnet.
Sie lag nackt neben ihm, während er leise vor sich hin schnarchte, und spürte, wie ihr das frische Blut ins Gesicht stieg. Es war, als trüge sie eine fleischige, pulsierende Maske. Bis zum Platzen voll war sie mit seinem Blut, so dass sie schon fürchtete, unvorsichtig zu werden und diesem einen Liebhaber einiges zu viel abzuverlangen.
Die Lampe über dem Bett schaukelte wie ein Galgen. Bewegte sich das Kabel, oder drehte sich ihr der Kopf? Es spielte keine Rolle. Sie war nicht so dumm zu glauben, dass nichts eine Rolle spielte. Nur spielte es eben im Moment keine. Nicht die kleinste. Charles war tot und begraben. Sie musste zurückbleiben.
Die Tatsache seines Todes war ein Glosen der Sonne in ihrem Verstand, das alles andere auslöschte. Sie hatte Geneviève bei den Vorbereitungen für die Trauerfeier und eventuellen rechtlichen Komplikationen helfen wollen, aber stattdessen war sie geflohen und hatte sich Marcello gegriffen, buchstäblich, damit er sie ablenkte.
Zum Zeitpunkt der Beisetzung war sie benebelt vom Blut gewesen.
War
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