Die Vampire
»verschreiben«. Er war gerade dabei, einen Riesenfehler zu machen.
Penelope arbeitete im Kristallsaal an einem mit Papieren übersäten Schreibtisch. Am späten Nachmittag schien keine Sonne mehr herein, aber sie trug trotzdem einen Sonnenhut und eine dunkle Brille. Den übrigen Haushalt hatte die Ermordung des principe in eine Panik gestürzt, Penelope aber bewahrte, ganz Engländerin, einen kühlen Kopf. Sie wurde mit allem fertig, mit der Sturzflut von Beileidskarten ebenso wie mit den Spannungen zwischen der Polizei und der Karpatischen Garde.
»Ich habe Prinzessin Asa gesagt, dass es bald Tee gibt«, sagte er.
»Und, kommt sie herunter?«
»Keine Ahnung.«
Penelopes Lippen wurden schmal. »Aha. Komm her zu mir, Tom, ja?«
Diesmal würde er nicht gehorchen. Er war fest entschlossen. Und doch fand er sich neben ihrem Schreibtisch wieder, ein Schuljunge, der zur Direktorin musste.
Sie stand auf, bog ihre Hutkrempe zurück und brachte ihren Mund an seinen Hals. Der elektrische Schock des Eindringens kam, und wieder floss etwas von ihm in sie hinein. Sie schluckte, tupfte sich die Lippen mit einem Taschentuch ab und setzte sich, schaute wieder in das offene Hauptbuch auf dem Tisch.
Tom schwankte, ihm war leicht schwindelig. Er wusste nicht recht, ob er entlassen war.
Obwohl es Penelope so oft wie zuvor nach seinem Blut verlangte, legte sie dabei jetzt etwas Geschäftsmäßiges an den Tag. Sie trank leidenschaftslos, wie von einem Tier oder Diener. Sie war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um noch die Zeit zu haben, ihn dabei zu liebkosen.
Es störte ihn nicht einmal. Solange er nur bleiben konnte.
»Ich glaube, wir wissen jetzt, warum der verstorbene Prinz so attraktiv für das Haus Vajda gewesen ist.«
Penelope zeigte auf eine Zahlenspalte.
»Um es ohne Umschweife zu sagen, Asa ist völlig abgebrannt, und zwar seit zweihundert Jahren. Sie hat zusammen mit ihrem Titel ein Vermögen geerbt, hat aber alles Jahrzehnt um Jahrzehnt für ihren Lebensunterhalt ausgegeben. Sie hatte nie irgendwelches Einkommen, von Kleinbeträgen abgesehen, hat nie irgendwelche Investitionen getätigt. Ohne Draculas Gold wird die Ärmste sich der Gnade ihrer Gläubiger ausliefern müssen. Oder sich einen neuen wohlhabenden Verlobten suchen müssen.«
Penelope klang, als gefalle ihr diese Enthüllung nicht. Sie schien aufrichtiges Mitgefühl für die Prinzessin zu haben.
»Das ist das Problem mit den Ältesten«, sagte sie. »Sie leben ewig und begreifen nicht, dass sich Dinge aufbrauchen. Sie wurden in einer Zeit geboren, als die Haushaltung noch in den Händen eines Verwalters lag, und haben nie gelernt, auf ihre Budgets zu achten.«
Etwas von seinem Blut klebte ihr noch am Mundwinkel. Er wies sie nicht darauf hin.
Sie schlug das Hauptbuch zu.
»Asas Bankrott stellt nur eine kleine Unannehmlichkeit dar. Da noch keine rechtmäßige Verbindung mit dem Haus Dracula eingegangen wurde, können wir sie einfach mit einer großzügigen Zuwendung zum Kofferpacken schicken. Der eigentliche Alptraum steht uns bevor, wenn wir die Angelegenheiten des Grafen regeln. Die Gäste, die wir zum Tee erwarten, machen das Ganze nicht gerade leichter. Ich hatte gehofft, sie vertrösten zu können, bis die Polizei den Fall abschließt, aber sie sind ungeduldig.«
Penelope kümmerte sich um alles, weil es ja irgendjemand tun musste. Als man von den anderen Morden in Rom zur Tatzeit von
Draculas Ermordung erfuhr, setzten sich die für das Hochzeitsfest versammelten Ältesten schleunigst aus Italien ab, verstreuten sich wieder in alle Welt. Ohne ihren Prinzen fühlte der Großteil der Karpatischen Garde sich nicht verpflichtet, in Otranto zu bleiben. Tote, die seit Jahrhunderten an ihren Posten geklebt hatten, waren über Nacht verschwunden. Manche setzten sich der Sonne aus und zerfielen aus Scham über ihr Versagen, ihren Herrn zu beschützen, zu Staub. Andere, weniger ehrbare Karpater suchten schlichtweg das Weite und nahmen alle Wertgegenstände mit, die sie in die Krallen bekamen. Auch ein Teil der Dienerschaft verkrümelte sich. Wer dablieb, tat das wahrscheinlich nur, weil er nicht wusste, wohin er sonst gehen sollte.
Es war alles ein einziges Durcheinander. Penelope hatte die Ärmel hochgekrempelt und sich ans Aufräumen gemacht.
Klove öffnete die Tür und ließ fünf Personen herein.
»Guten Tag«, sagte Penelope, eine perfekte Gastgeberin.
Die distinguierten Neuankömmlinge waren Clare Boothe Luce, die amerikanische
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