Die Vampire
Henkers.
Bond sah nackte Angst in Brastows geschlitzten Pupillen.
Der Henker riss den Vampirältesten auseinander und ließ die Überreste fallen. Die Zombies fielen über Fleisch und Knochen her und begannen zu kauen. Der Henker hielt Brastows schlagendes Herz und drückte es wie einen Schwamm, bis es still war.
»Du.« Mamma Roma wies auf Bond.
»Madam«, grüßte er sie.
»Komm her.«
Er sah zu den morti viventi, die sich beißend um die Überreste von Gregor Brastow stritten. Er sah zu Marie-France und Pony, die dem wimmernden Flachkopf auf die Füße halfen.
Mamma Romas Gesicht war unnachgiebig. Sie war keine junge Frau mehr. Ihre breiten Hüften hatten viele Kinder geboren. Ihre vollen Brüste hatten Kinder und erwachsene Männer gestillt.
Ihr Name war passend. Sie war Rom.
Ihre Arme waren ausgebreitet. Ihr Mund geöffnet.
Er ging zu Mamma.
30
Cinema Inferno
K ate rechnete damit, alle möglichen Lügen erzählen zu müssen, um nach Cinecittà hineinzugelangen, und hatte ihren Presseausweis in der Hand, damit es so aussah, als wären sie berechtigt, die Filmstudios zu betreten. Als sie mitten in eine schwatzende Horde junger Frauen gerieten, die entweder Nebenrollen als Mordopfer hatten oder in der Maske arbeiteten, spazierten sie einfach auf das Gelände. Mussolinis »Hollywood am Tiber« war ein Relikt des Faschismus, das vom heutigen Italien nicht abgelehnt wurde, und wimmelte von Leuten.
»Wie finden wir jetzt die Argonauten?«, fragte Geneviève.
Kate sah sich die Menschenströme an, die zu den verschiedenen Dreharbeiten unterwegs waren. Eine Truppe französischer Kavalleristen, circa 1812, trottete im Laufschritt auf zehn Meter hohe
Tore zu, dass Ausrüstung und Waffen hüpften. Ein Zirkuselefant wurde von einem Mann auf Stelzen in roten Streifenhosen und einer Frau in einem paillettenbesetzten Trikot vorbeigeführt.
»Ich glaube, wir schließen uns dem da mal an, Gené.«
Ein schimmerndes Schaffell von der Größe eines Segels wurde vorsichtig von vier Bühnenarbeitern vorbeigetragen. Seine goldene Farbe war noch feucht. Das Goldene Vlies wurde zum Teatro 6 gebracht. Auf einer Tafel neben der Tür stand Gli argonauti gekritzelt. Vor dem Studio lungerten einige abgerissene, vom Wetter gegerbte alte Griechen mit falschen Bärten herum, rauchten Zigaretten und protzten auf Italienisch mit ihrem Liebesleben.
Die beiden Vampirfrauen gingen zu dem lagerhausähnlichen Gebäude. Die Argonauten brachten die obligatorischen Pfiffe, Gesten und Kommentare zustande, nannten Geneviève »He, Blondie« und Kate »arance rosse«. Roter Orangensaft. Sehr schmeichelhaft.
Sie schafften es hinein.
In dem riesigen Studio herrschte ein Gedränge und Durcheinander wie bei einem Aufstand. Kates Erfahrung mit Filmstudios beschränkte sich auf Pressetermine in Ealing oder Merton Park, auf angenehme Spaziergänge über das Gelände in der Begleitung von beflissenen Werbeleuten, wobei die Termine immer so gelegt waren, dass sie mit der Teepause zusammenfielen. Der schiere Lärm im Teatro 6 war überwältigend. Hier wurden die Filme gedreht wie in der Stummfilmzeit: Verschiedene Musical-Combos spielten unharmonisch durcheinander, eine Baustellensymphonie aus Hämmern und Sägen und Fluchen schwoll an und wieder ab, in der Kulisse nebenan dröhnten die Kanonen zu Napoleons Rückzug, überall brüllten Leute.
Geneviève zeigte zur argo, die nur von einer Seite gefilmt werden konnte, weil man lediglich das halbe Schiff gebaut hatte. Orson
Welles klammerte sich oben an ihrem Gipsbug fest und sah zum gemalten Himmel hinauf.
Dieser Argo war ein blinder Seefahrer, seine Augen waren von grauem Star bedeckt, der die Farbe geronnener Milch hatte. Schmerzenstränen rannen durch Welles’ Maske, strömten die Ausläufer einer gewaltigen falschen Nase entlang. Sein echter Riecher sah auf der Leinwand angeblich absurd aus, ein Stupsnäschen, das sich in einem Breitwandgesicht verlor, darum behalf er sich mit enormen Wachsklumpen.
Ein Sturzbach setzte ein. Große Windmaschinen peitschten Regen aus oben angebrachten Brausen. Dem Schiffbauer schlug Wasser ins Gesicht, durchnässte seine Gewänder. Er hielt sich verzweifelt an der argo fest und verfluchte die Götter.
Welles fluchte auf Englisch. Die Götter antworteten auf Italienisch, Deutsch und Französisch.
Schauspieler aus zahlreichen Ländern, daheim allesamt Stars, waren sorgfältig ausgewählt worden, um Gli argonauti »internationales Flair« zu geben. In
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