Die Vampire
Theater- und
Buchkritiken verfasst. Und sie hatte definitiv hart daran mitgearbeitet, einen Schlussstrich unter die Ära Dracula zu ziehen.
»Kommen Ihnen dabei bestimmte Namen in den Sinn?«, fragte Geneviève.
»Einzelheiten langweilen mich«, erklärte Welles. »Es dürfte nicht weiter schwer sein, sie hinzuzufügen, die Skizze in Tusche auszuführen. Ich fürchte, mich beschäftigen inzwischen ganz andere Dinge. Sie dürfen über meine Erkenntnisse frei verfügen, wenn Sie möchten.«
Ein Regieassistent stand neben ihrem Tisch.
»Liebe Damen«, sagte Welles, als er ihn bemerkte, »wenn Sie mich entschuldigen würden? Ich sollte inzwischen vor Kolchis sein.«
Er küsste beiden die Hand und verließ sie. Die meisten dicken Männer watschelten, er aber schritt. Der Regieassistent musste in Trab fallen, um nicht abgehängt zu werden. Er ließ Welles keine Ruhe wegen seiner sich ablösenden Nase.
Geneviève sah Kate an. Für sie war das hier absolute Zeitverschwendung gewesen. Kate war sich da nicht so sicher. Welles hatte sie zum Nachdenken gebracht, und zwar nicht über eine Karriere als Schauspielerin. Ihr schwirrte der Kopf vor interessanten Ansätzen. Einige stammten von ihm, andere hatte er angeregt.
»Wir verfolgen keine Spur«, sagte sie, »wir werden hereingeholt wie Fische. Immer wieder sagen uns Leute etwas, als sollten sie uns Botschaften übermitteln. Und wir erhalten solche Warnungen wie dieses Vieh in der Bibliothek; dass wir uns von bestimmten Gebieten fernhalten und auf andere konzentrieren sollen. Er hat Recht. Es ist so, als bekämen wir Regieanweisungen.«
»Der Service in diesem Café ist eine Katastrophe«, sagte Geneviève.
Auf dem Tisch standen immer noch halb geleerte Tassen und
Gläser. Niemand war gekommen, um abzuräumen oder sie zu fragen, ob sie etwas wollten.
Kate nahm ein Glas Blut. Sie schnupperte daran.
»Du willst das doch nicht trinken?«, fragte Geneviève entsetzt.
»Es ist kalter Tee, rot eingefärbt.«
Sie sahen sich um. An den Nachbartischen aß oder trank niemand wirklich, man hob nur die Gläser und führte die Flüssigkeiten an die Lippen. Man lachte und unterhielt sich, aber es war buchstäblich leeres Geschwätz. Der Minotaur war echt, aber sein Kopf war mit Pappmaschee-Streifen gepflastert, damit er künstlich aussah.
Die Vorderfront des Cafés, das in das Studio hineingebaut zu sein schien, war wirklich nur eine Front und wurde mit Stangen aufrecht gehalten. Ein paar Kilometer von der echten Via Veneto entfernt war diese Amüsiermeile bis ins letzte Detail nachgebaut worden. Kate wusste nicht, wozu sich überhaupt jemand diese Mühe gemacht hatte.
Eine Kamera auf Schienen kam langsam durch die Tische und Statisten näher. Ein Kameramann und ein konzentrierter italienischer Regisseur bedienten das Gerät, schlichen immer näher an ein Pärchen an einem der Tische heran. Das Paar wirkte strahlender als alle anderen Leute, was vielleicht daran lag, dass ein dezenter Scheinwerfer auf sie gerichtet war.
Der Mann trug eine dunkle Brille und zuckte die Schultern, sog an seiner Zigarette. Die Frau, rothaarig und mit einer wenig schmeichelhaften Frisur, beugte sich vor und schimpfte ihn, stieß vorwurfsvoll mit dem Zeigefinger in seine Richtung. Kate bekam ein Gefühl der Unwirklichkeit. Der Mann sah Marcello sehr ähnlich, und die Frau hätte eine unfaire Karikatur von ihr sein können.
Die Kamera glitt ganz nahe an ihrem Tisch vorbei.
»Nicht hinsehen«, sagte Geneviève. »Ich glaube, wir kommen ins Kino.«
31
Penelope schaukelt die Sache
E s war an der Zeit, sich mit wohlgefüllten Taschen auf die Reise zu machen. Der Haushalt wurde aufgelöst. Der Hausherr war endgültig tot, und die Gäste hatten sich abgesetzt. Tom erwog kurz die Van Goghs, aber sie waren zu groß und bekannt, um als Andenken an seinen glücklichen Sommer im Palazzo Otranto zu taugen.
Über die Monate hatte er eine Sammlung aufgebaut. Die Toten ließen ihre Schätze überall herumliegen. Tagsüber, wenn die Ältesten in ihren Särgen schliefen und die Neugeborenen matt vom Blut der letzten Nacht waren, hatte er ausgewählte, transportierbare Stücke zusammengetragen. Die hässliche, aber wertvolle Statuette eines Raubvogels; einen ägyptischen, aus einem Rubin geschnittenen Skarabäus mit sieben punktgroßen Fühlern, die wie der Große Wagen angeordnet waren; eine kleine mumifizierte Hand, die einem Kind oder einem Affen gehört haben mochte; ein Modell des Eiffelturms aus purem Gold;
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