Die Vampire
einen hübschen kleinen Corot, der nicht größer als eine Ikone war. Ein ungeheuer dicker Sammler und Händler, den Tom in Amsterdam kannte, konnte mit der Beute vielleicht etwas anfangen; er verstand sich auf seltene Kunstgegenstände unbekannter Herkunft.
Tom bewahrte sie natürlich nicht in seinem Zimmer auf, wo sie am Ende noch als Beweismittel gelten würden. Er hatte in einer vergessenen Dachkammer ein loses Bodenbrett entdeckt und sich darunter ein Versteck gebaut. Falls es entdeckt wurde, würde man die Dienerschaft verdächtigen. Während seiner Zeit hier waren ein Butler und zwei Dienstmädchen wegen Diebstahls entlassen worden. Prinzessin Asa hatte darauf bestanden, dass sie gebrandmarkt wurden. Ob eine Stirnnarbe, die auf Moldawisch
»Dieb« bedeutete, wohl die Chancen auf dem europäischen Arbeitsmarkt beeinträchtigte?
Zurzeit war Prinzessin Asa verrückt. Er ging davon aus, dass sie schon immer verrückt gewesen war, aber die Qualität ihres Wahnsinns hatte sich verändert. Sie war nicht mehr das herrische Monstrum. Penelope nannte sie hinter ihrem Rücken »Prinzessin Klageweib«. Sie trug ihr zerfetztes Hochzeitskleid und alterte mit jedem Tag, an dem sie sich weigerte, Blut zu trinken. Am Monatsende würde sie ein neues Haus auftun müssen, in dem sie herumspuken konnte.
Es war um die Mittagszeit. Er sah sich gerade ein letztes Mal um. Einige der Toten, die kürzlich das Weite gesucht hatten, hatten dabei achtlos Wertgegenstände zurückgelassen. In General Iorgas gruftartiger Kammer fand er einen silbernen Dolch. Eine alte Waffe, kein fades Skalpell, wie sie es in Draculas Herz gefunden hatten. Es handelte sich um eine erstklassige Arbeit, und die Klinge war scharf. Es war eine Waffe für einen Mörder.
Ihm fiel wieder einmal auf, wie merkwürdig es war, dass so viele Tote Krimskrams aus Silber besaßen. Das Metall war Gift für sie. Entweder wollten sie damit ostentativ der eigenen Sterblichkeit trotzen, oder sie hatten das Bedürfnis, über Waffen zu verfügen, die sich gegen die eigene Art einsetzen ließen. Mit Draculas Tod würden hinter den Kulissen Kriege um seine Nachfolge entbrennen. Penelope hatte Tom einen Vortrag darüber gehalten und mit nicht wenig Gefallen angedeutet, dass die Hälfte der überlebenden Ältesten in den internen Auseinandersetzungen umkommen würden. Was nur gut sei, hatte sie gesagt; es wäre an der Zeit, dass die Barbaren des Mittelalters Platz für die nachfolgenden Generationen machten. Er steckte den Dolch ein und fragte sich, ob er ihn behalten sollte. Die Toten wurden nicht weniger. Und wer wusste schon, wie weit Penelope Churchwards Arm reichte.
Er machte sich auf den Weg zu der Dachkammer, in der Hand einen leeren Koffer, den er in einem der Gästezimmer gefunden hatte. Er hatte genau die richtige Größe. Tom verstaute sorgfältig seine Andenken darin, wickelte vorher jedes Stück in ein Halstuch ein. Es war vulgär, einen Preis für solche Dinge festzulegen, aber er ging davon aus, dass er genug für mehrere gute Jahre beisammenhatte. Er dachte dabei an Frankreich. Es war an der Zeit, sich irgendwo niederzulassen.
Pfeifend schleppte er den schweren, aber nicht zu schweren Koffer nach unten. Er würde den Ferrari nehmen, aber nur bis zur Stazione Centrale. Der Wagen war zu auffallend, hinterließ eine zu deutliche Spur.
Auf dem zweiten Treppenabsatz wurde ihm der Koffer zu schwer. Er wechselte ihn in die linke Hand und ließ ihn dabei fallen. Tom begriff, wie schwach er geworden war. Seine zerklüfteten, geschwollenen Halswunden pochten wie Moskitostiche. Er machte Fäuste und bewegte die Arme, versuchte das Kribbeln in den schlecht durchbluteten Gliedmaßen zu vertreiben. Seine Ellbogen und Knie funktionierten nicht richtig.
Der Koffer rutschte zum nächsten Absatz hinunter. Tom stolperte ihm hinterher. Nun kam nur noch die Haupttreppe zur Halle, dann die Eingangstür. Er packte den Koffer beim Griff, bekam ihn aber nicht vom Boden hoch. Er überlegte, eines der schwereren Stücke zurückzulassen - den Falken vielleicht? -, verwarf die Idee aber als absurd. Dies war sein Notgroschen.
Er presste sich den Koffer wie einen Kartoffelsack vor die Brust und stand auf. Es fühlte sich an, als hebe er einen Anker hoch. Ihm verschwamm alles vor den Augen. Schwindel überkam ihn. Er hätte sich am liebsten die Treppe hinunter in den Tod gestürzt. So etwas Dummes!
Am Geländer stieß er sich die Hüfte und hatte den Koffer plötzlich auf dem langen
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