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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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der im Englischen nicht sehr gewandt ist. Stattdessen sprach er in kultivierter, recht angenehmer Manier. In der Tat überstieg seine Kenntnis unserer Sprache bei weitem die eines Abraham Van Helsing oder Quincey P. Morris, um nur zwei zu nennen.
    »Ihr glaubt mich überlisten zu können, ihr mit euren bleichen Gesichtern, aufgereiht wie Schafe beim Schlächter. Das sollt ihr noch bereuen, jeder Einzelne von euch. Eure geliebten Frauen gehören mir schon jetzt; und durch sie und andere sollt auch ihr mir gehören. Als meine Kreaturen, die meinen Geboten folgen und mir zu Helfershelfern werden, wenn ich Nahrung suche.«
    Mit wütendem Gebrüll stieß Van Helsing dem Grafen seine Hostie entgegen, doch Dracula tat unglaublich gewandt einen Schritt beiseite, so dass der Professor ein zweites Mal hinschlug. Wieder lachte der Graf, ein grausiges Glucksen, das tief aus seiner Kehle drang. Ich stand starr vor Schreck, und mein Herz pochte wie mit Skorpionen übersät. Auch Art regte sich nicht. Allein unserer Tatenlosigkeit haben wir es zu verdanken, dass wir drei Jahre später beide - gewissermaßen - noch am Leben sind.
    Quincey, der wie eh und je die Tat vor den Gedanken setzte, stürzte sich auf Dracula und stach ihn ins Herz. Ich hörte das Bowie-Messer darin versinken, als dringe es in Kork. Wie der Graf rückwärts gegen die Wand taumelte, stieß Quincey siegesgewiss ein lautes Juchhe! hervor. Doch die Klinge war aus einfachem Stahl, weder aus Holz, das ihm das Herz hätte durchbohren können, noch aus Silber, welches ihn vergiftet hätte. Der Vampir nahm das Messer aus seiner Brust, als zöge er es aus einer Scheide. Der Hieb verblieb in seinem Hemd, schloss sich jedoch sogleich
im Fleisch. Quincey sprach: »Da scheißt doch glatt der wilde Esel im Galopp«, als ihm Dracula zu Leibe rückte. Der Graf gab Quincey sein Messer zurück, stieß es ihm am Adamsapfel in die Kehle und sog flüchtig an der klaffenden Wunde.
    Unser tapferer Freund war tot.
    Dann hob der Graf den ohnmächtigen Harker auf, als sei er leicht wie eine Feder. Mina stand an seiner Seite, die Augen glasig, wie mit Arznei überfüllt, Kinn und Busen blutbefleckt. Dracula küsste die Stirn des Sachwalters und hinterließ ein blutiges Mal.
    »Er war mein Gast«, erklärte er, »aber er hat meine Gastfreundschaft missbraucht.«
    Er blickte auf Mina, als stünde er mit ihrem Geiste in Verbindung. Sie fauchte ihn an, ebenso erschreckend wie die neugeborene Lucy, und erteilte seinem Vorhaben ihren unheiligen Segen. Sie verwandelte sich schnell. Mit einem jähen Knacken brach er Harker das Genick, das in seinen mächtigen Händen ruhte. Er stach einen Daumennagel in die pulsierende Ader an Harkers Hals und bot sie dessen Gemahlin dar. Mina strich sich mit beiden Händen das Haar aus dem Gesicht, beugte sich vor und begann das Blut zu schlürfen.
    Ich half dem Professor auf die Beine. Er bebte vor Zorn, sein Gesicht war rot von Blut, und Schaum stand ihm vor dem Mund. Er sah aus wie einer jener Wahnsinnigen im anderen Flügel des Hauses.
    »Nun«, sagte der Graf, »lasst mir und den Meinen unseren Frieden.«
    Art war bereits aus dem Türeingang zurückgetreten. Ich folgte ihm und zog Van Helsing mit mir. Er grollte halblaut vor sich hin. Mrs. Harker ließ den leblosen Körper ihres Gatten auf den Teppich fallen, er rollte gegen das Bett und starrte uns mit offenen Augen an. Vom Flur sahen wir, wie Dracula die arme Mina an sich zog und sein Gesicht an ihre Kehle presste; mit harten Fingernägeln
zerrte er an ihrem Hemd, strich durch ihr langes, wirres Haar.
    »Nein«, sagte Van Helsing, »nein.«
    Art und ich mussten all unsere Kraft aufwenden, um den Gelehrten zurückzuhalten. Wir wandten uns ab, doch Van Helsing beobachtete gebannt, wie sich Dracula von Mina nährte. Was er dort im Zimmer der Harkers erblickte, war ein persönlicher affront.
    Ein Mann in schmutzigem, gestreiftem Schlafanzug stürzte von einer Stiege in den Flur; er schleifte eine Frau bei den Haaren hinter sich her und schwang ein offenes Rasiermesser. Es war Louis Bauer, der Würger vom Pimlico Square. Ein Haufen anderer folgte, schleppte sich wankend durch die Dunkelheit. Jemand sang mit rauer und doch wohlklingender Stimme eine Hymne, alsbald von tierähnlichem Winseln begleitet. Eine bucklige Gestalt bahnte sich durch die Menge einen Weg nach vorn. Es war Renfield. Sein Rückgrat war gebrochen und verkrümmt, Gesicht und Rumpf eine blutige Masse.
    »Herr und Meister«, kreischte er,

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