Die Vampire
Augenblick, dann stieß er die Tür auf und bedeutete ihm mit einem Nicken, er solle eintreten. Der dahinterliegende Raum stand voller geöffneter Teekisten, in denen unter Mengen von Stroh ein ganzes Sortiment von Silberzeug lagerte: Tee- und Kaffeekannen, Tafelbestecke, Kricketpokale, Sahnekännchen. Auf Tabletts gehäuft erblickte er die Überbleibsel von Ringen und Halsbändern, denen man gewaltsam die Steine herausgebrochen hatte. Eine schwere Ringfassung erweckte seine Aufmerksamkeit; die ausgestochene Vertiefung in ihrer Mitte gähnte ihn an wie eine leere Augenhöhle. Er fragte sich, ob Fox Malleson mit dem benachbarten Juwelier in Verbindung stehen mochte.
»Willkommen, Mr. B.«, sagte der kleine alte Mann, der hinter einem Vorhang hervortrat. Gregory Fox Malleson hatte so viele Kinne, dass zwischen Mund und Kragen nichts als wabbelnder Pudding zu sehen war. Er wirkte aufgeräumt und freundlich und
trug eine schmutzige Schürze, schwarze Samtschoner über den Ärmeln und eine Schutzbrille mit grün gefärbten Gläsern, die er auf die Stirn geschoben hatte.
»Es ist mir immer wieder eine Freude, einen Gentleman aus dem Diogenes-Club begrüßen zu dürfen.«
Er war Warmblüter. Als Silberschmied blieb ihm kaum etwas anderes übrig. Der Neugeborene vor der Tür hätte nicht gewagt, ins Innere von Fox Mallesons Fabrik vorzudringen. Die Silberteilchen in der Luft wären in seine Lunge gelangt und hätten ihn zu einem schleichenden Tod verurteilt.
»Ich glaube, was wir für Sie besorgt haben, wird Ihnen gefallen. Kommen Sie, kommen Sie, hier entlang, hier entlang …«
Er zog den Vorhang beiseite und gewährte Beauregard Einlass in die Werkstätten. Über einer Lage glühender Schmiedekohlen standen Tiegel, angefüllt mit matt glänzendem Flüssigsilber. Ein linkischer Lehrjunge schmolz soeben die Amtskette eines Bürgermeisters ein, gab sie Glied um Glied in einen Tiegel.
»Verteufelt schwer, heutzutage Rohstoffe zu beschaffen. Bei all den neuen Vorschriften und Gesetzen. Aber wir machen das schon, Mr. B., o ja, wir machen das. Auf unsere Weise.«
Auf einer Werkbank kühlten Silberkugeln aus wie Mehlküchlein auf einem Backblech.
»Eine Bestellung des Palasts«, sagte Fox Malleson voller Stolz. Er nahm eine Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger. Seine Fingerspitzen waren mit harten Brandschwielen bedeckt. »Für die Karpatische Garde des Prinzgemahls.«
Beauregard fragte sich, wie nosferatu -Soldaten ihre Pistolen laden mochten. Entweder hatten sie warmblütige Burschen oder aber dicke Handschuhe.
»Eigentlich taugt Silber für Pistolenkugeln nicht sehr viel. Zu weich. Die beste Wirkung erzielt man mit einem Kern aus Blei. Silbermantelgeschosse nennt man so etwas. Sie explodieren in
der Wunde. Das pustet jedem das Licht aus, einerlei ob Warmblüter oder Vampir. Äußerst unangenehm.«
»Eine kostspielige Waffe, nehme ich an?«, fragte Beauregard.
»So ist es, Mr. B. Reid hat uns darauf gebracht. Ein amerikanischer Gentleman namens Reid ist der Ansicht, Kugeln müssten so teuer sein. Zur Erinnerung daran, dass das Leben ein Reichtum ist, den man nicht allzu leichtfertig verplempern sollte.«
»Ein bewunderswerter Gedanke. Erstaunlich für einen Amerikaner.«
Fox Malleson war dem Ruf nach der beste Silberschmied von ganz London. Da seine Profession eine Zeit lang überaus geringes Ansehen genoss, hatte man ihn in Pentonville eingesperrt. Doch sein Geschick war unverzichtbar. Macht beruht am Ende immer auf der Fähigkeit zu töten; demnach müssen die Mittel zu töten jederzeit bereitstehen, wenn auch nur wenigen Auserwählten.
»Schauen Sie sich diese Arbeit an«, sagte Fox Malleson und hob ein Kruzifix in die Höhe. Auch ohne die Juwelen ließ sich mit Leichtigkeit erkennen, dass ein Künstler diese Christusfigur erschaffen hatte. »Sein Martyrium spiegelt sich in den verrenkten Gliedern wider.«
Beauregard untersuchte das Bildnis. Einige - unter ihnen offenbar auch der Prinzgemahl - fürchteten das Kreuz wahrhaftig, doch die meisten Vampire waren gleichgültig gegen religiöse Artefakte. Manche Murgatroyds machten sich einen Spaß daraus, mit ihrer Immunität zu prunken, indem sie elfenbeinerne Kruzifixe als Ohrringe trugen.
»Papistische Albernheiten, natürlich«, sagte Fox Malleson mit einem Anflug von Trauer in der Stimme. Er reichte das Kruzifix seinem Lehrjungen, der es in den Tiegel gab. »Dennoch, manchmal fehlt mir das Kunsthandwerk. Kugeln und Klingen sind ja gut und schön, aber sie
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