Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig
war ein Cabrio mit geschlossenem Verdeck. Die Fenster waren getönt, der Fahrer unsichtbar. Wir standen wartend da und sahen uns in den Fenstern gespiegelt - drei Kids, die sich um ein Fahrrad drängten.
Das Beifahrerfenster glitt sirrend herab, und ein perfektes Gesicht mit funkelnden grünen Augen beugte sich aus dem Halbdunkel vor. Eine unsichtbare Hand fasste mir in die Brust und drückte mir das Herz zusammen. »Alles in Ordnung bei euch?«, fragte Miss Larch. Ihr maskenhaftes Gesicht schien zu glühen.
»Ja, Ma’am«, sagte Fumio kopfschüttelnd und sah mich an.
Das Lächeln der Biolehrerin blitzte im Dunkeln auf und verschwand dann hinter der hinaufsirrenden Scheibe. Der schnittige Wagen glitt davon wie ein Hai.
Wir sahen ihn an der Ecke abbiegen und verschwinden. Wir schwiegen, bis Foote sagte: »Tut mir leid, Svetlana.«
Er starrte auf den Rasen. Ich folgte seinem Blick und sah die durchsichtige Plastiktüte zerrissen und leer am Boden liegen. Der Goldfisch lag auf der Seite - so reglos und tot wie der vergiftete Rotkardinal.
Fünfzehntes Kapitel
In dieser Nacht versuchte ich, im Bett zu schlafen, doch es war unerträglich. Die Matratze war zwar bequem, aber ich fühlte mich völlig schutzlos. Die Zimmerdecke schien ewig weit weg. Nachdem ich mich fast eine Stunde herumgewälzt hatte, nahm ich Kissen und Bettdecke und kroch unter den Lattenrost. Ich brauchte die Enge ringsum und die beruhigende Tatsache eines harten Bodens unter den Falten der Daunendecke. Mit meiner Taschenlampe und einem Sherlock-Holmes-Krimi lag ich zusammengerollt da und las, bis mir endlich die Augen zufielen.
Ein vage vernommenes Flüstern weckte mich. Hatte da jemand meinen Namen genannt? Noch immer hielt ich das Buch in den Händen, und die Taschenlampe brannte. Ich schaltete sie aus, rutschte unter dem Bett hervor, setzte mich im Schneidersitz auf und lauschte. Der Mond schien durchs Fenster und warf ein Viereck aus milchiger Helligkeit auf den Boden.
Svetlana ...
Das Flüstern drang nicht an meine Ohren, sondern war in meinem Kopf.
Svetlana ...
Auf allen vieren kroch ich ans Fenster, richtete mich kniend auf und spähte in den Vorgarten. Aus meinem Baumhaus drang ein schwacher Lichtschein.
Svetlana ...
Der Wecker in Form eines Plastikhahns auf der Kommode zeigte auf seinem Bauch elf nach drei. Ich zog mir ein Flanellhemd über den Schlafanzug und schlich leise in den Flur. Dads schwaches Schnarchen drang durch die geschlossene Tür gegenüber. Ich hörte sein Herz schlagen - und das meiner Mutter, aber leiser und langsamer. Beide schliefen tief und fest. Ich schob mich die Treppe hinunter und vermied sorgsam die siebte und die zwölfte Stufe, weil sie am lautesten knarrten. Der Kühlschrank summte. Die Uhr an der Küchenwand tickte. Razor sah von seiner Schlafmatte auf. Ich hob den Zeigefinger an die Lippen: »Schhhh.« Er legte den Kopf wieder auf die gekreuzten Pfoten, und seine Augen glänzten im Finstern. Auf Zehenspitzen bewegte ich mich durchs Dunkel zur Haustür und auf die mondbeschienene Veranda hinaus. In den Bäumen flüsterte das Laub.
Svetlana ...
Schon gut, schon gut.
Ich durchquerte den Vorgarten. Strohiges Gras kitzelte meine nackten Sohlen. Auf schmalen Stufen erkletterte ich die Eiche der Verdammnis und schlüpfte in mein Versteck. Dort duftete es herrlich nach warmen Keksen. Mit geschlossenen Augen saß die Knochenlady auf meinem einzigen Stuhl an dem behelfsmäßigen Tisch. Sie beachtete mich gar nicht, als ich den Kopf durch das Loch im Boden steckte, mich in das winzige Haus stemmte und mich mit dem Rücken zur Wand auf den Brettern niederließ. Die alte Frau trug einen dunklen, eng um den Leib geschlungenen Hausmantel. Die Kerze auf dem Tisch brannte mit zitternder Flamme.
Lenora Bones öffnete die Augen und sah mich an. Sie zog den Bericht, den sie aus der Zeitung gerissen hatte, aus ihrem schwarzen Buch - den Artikel, in dem es um die drei vermissten Mädchen ging.
Kennst du diese jungen Damen?
Sie sind in meiner Klasse.
In der Klasse von Miss Larch?
Ja.
Ihr Gesicht wirkte im schwachen Licht unnatürlich hager und bleich. Ihre Wangen waren eingefallen, und Falten liefen ihr kreuz und quer übers Gesicht wie feine Risse in einer Porzellantasse. Sie lächelte, doch ihr Lächeln war traurig.
Ich habe es bereits gesagt und wiederhole es: Du bist sehr
jung, liebes Mädchen. Ich war schon gut achtzehn Jahre alt, als die Veränderung mich traf - und selbst das war noch jung, doch schon
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