Die Vampirjaegerin
er will.
Er ist gehorsam, aber verwöhnt.«
Jeshickah führte sie ins Innere von Midnight, wo es weniger Furcht einflößend, doch immer noch ebenso elegant war. Ein Eichenholzpaneel verzierte die Wände bis auf halbe Höhe, wo es von einem tiefen Jadegrün abgelöst wurde. Auf dem Boden lag ein Orientteppich, der so weich und flauschig war, dass Turquoise es durch ihre Turnschuhe hindurch spürte. Jeshickah öffnete eine Tür am Ende der Eingangshalle und führte sie in einen schwach erleuchteten Raum.
Turquoise hatte vor langer Zeit gelernt, dass die bösesten Gestalten auf der Welt häufig auch die schönsten waren. Der Herr von Midnight war in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Jaguar – und es konnte sich nur um ihn handeln – lag lässig mit geschlossenen Augen auf einem schwarzen Ledersofa und stützte mit einer Hand seinen Kopf.
Seine Haut hatte einen warmen sonnengebräunten Farbton, sein Haar war schwarz, vollkommen glatt und lang. Wenn er aufstand, reichte es ihm wahrscheinlich bis weit auf den Rücken. Er trug weiche schwarze Hosen, die einen Körper verhüllten, den Turquoise unwillkürlich anstarrte.
Nur das – kein Hemd, keine Schuhe, keinen Schmuck. Die Peitsche, die Nathaniel erwähnt hatte, rollte sich wie eine schwarze Viper auf seiner Brust zusammen. Wie er ihren Griff festhielt, erinnerte Turquoise an ein Kind mit einem geliebten Haustier.
Als Jeshickah durch die Tür trat, öffnete der Vampir die Augen – Augen wie schwarze Kristalle, die das Licht der Lampe zu reflektieren schienen. Er sah Jeshickah an, und der Ausdruck auf seinem Gesicht wandelte sich von schläfriger Zufriedenheit in wachsame Aggressivität, als er sich erhob.
In den Sekunden des Schweigens erwartete Turquoise schon, dass die beiden aufeinander losgehen würden, doch stattdessen sagte Jeshickah: »Gut geschlafen, Süßer?«
Es kostete Jaguar offenbar Mühe, sie zu ignorieren, als er sich Nathaniel zuwandte. »Sind das die beiden Mädchen, von denen du mir berichtet hast?«
Die Spannung, die Turquoise beim Auftauchen von Jeshickahs Wagen in Nathaniel bemerkt hatte, war entweder verschwunden oder aber er verbarg sie meisterlich. Er nickte und erklärte: »Sie sind nicht vollständig gebrochen, aber klug genug, dir keine Schwierigkeiten zu machen. Außerdem sind sie beide gesund und ziemlich hübsch. Diese hier hat ein paar Narben«, fuhr er fort und zeigte auf Turquoise, »hauptsächlich an den Armen – nichts Außergewöhnliches.«
Nathaniel hatte Turquoise die Musterung angekündigt, daher trug sie ihr einziges ärmelloses T-Shirt, über das sie trotz der Augusthitze ein Baumwollhemd geworfen hatte. Zögernd zog sie nun das Hemd aus.
Sie hatte diese Narben seit fast drei Jahren und fast genauso lange hatte sie sie verborgen. In dem ärmellosen T-Shirt kam sie sich halb nackt vor.
»Peitsche?«, fragte Jaguar und betrachtete stirnrunzelnd die halbrunde Narbe um Turquoises linkes Handgelenk, ein feines Perlenband, das in ihre Haut geritzt war.
Turquoise fühlte, wie sich die Muskeln zwischen ihren Schultern spannten, doch sie hielt den Blick gesenkt. Sie hatte sich bereits eine Geschichte ausgedacht, die sie erzählen konnte, wenn sie jemand über ihre Vergangenheit ausfragte. Nur Lord Daryl könnte ihr widersprechen, und sie verließ sich darauf, dass sein Stolz es ihm verbieten würde, falls sich die Gelegenheit ergab.
»Ihr erster Ausbilder war nicht so behutsam wie andere«, antwortete Nathaniel ausweichend.
Jaguar schien sich mit der Antwort zufriedenzugeben. »Wie viel willst du für die beiden?«
Hier war Nathaniel in seinem Element. Er war Händler aus Leidenschaft.
Jegliche Sympathie, die er für Turquoise hegte, sowie jeder Abscheu, den er Jeshickah oder Jaguar gegenüber empfand, verschwanden, sobald es um Geld ging.
Jeshickah kam dem Handel zuvor. »Du erlaubst, Kätzchen! Du könntest hier mehr Spielzeug brauchen.«
Jaguar reagierte mit einem bösen Blick auf den Spitznamen, aber Jeshickah hatte sich bereits abgewandt. »Nathaniel, sollen wir beide das unter uns ausmachen, während Jaguar sich mit seinen Neuanschaffungen bekannt macht?«
Sie legte einen Arm um Nathaniels Taille, als sie hinausgingen, aber es sah nicht nach einem freundschaftlichen Kontakt aus.
In der Stille, die auf ihr Verschwinden folgte, ließ die Spannung im Raum merklich nach. Jaguar stieß langsam die Luft aus. Vampire müssen eigentlich nicht atmen, aber menschliche Angewohnheiten sind schwer abzulegen.
Wortlos ging
Weitere Kostenlose Bücher