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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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diesem Tag nahmen Eóin, Robin, Seumas und Artair am Unterricht teil. Geübt werden sollte der so genannte >roundabout kick<, ein seitlich ausgeführter Sprung, bei dem man dem Gegner einen kräftigen Fußtritt versetzte. Sprünge und Tritte waren in einem Kilt nicht ganz einfach auszuführen, aber Dylan hatte schon öfter festgestellt, dass ihr Überraschungswert unbezahlbar war.
    Heute hatte er seine Schüler angewiesen, ihre Kilts abzulegen und nur im Hemd zu kämpfen, was in den Highlands ohnehin üblich war, denn ein schwerer feileadh mór behinderte seinen Träger nur unnötig. Die Schöße der Hemden reichten den Männern bis zu den Knien, nur Eóin war das seine noch ein Stück zu lang. Dylan zeigte den vieren die einzel-nen Schritte des Angriffs und ließ sie die Übung mehrmals wiederholen. Dann fragte er: »Und wie wehrt ihr einen solchen Angriff ab?«
    Artair meldete sich zu Wort. »Gar nicht, weil nämlich niemand dumm genug sein wird, ihn zu versuchen.«
    Dylan fuhr sich mit der Zunge über den Zahn mit dem Loch, der wieder zu pochen begonnen hatte. »Nehmen wir einmal an, es gäbe doch so einen Dummkopf. Was würdest du denn tun, wenn er dich angreift?«
    Eóin öffnete schon den Mund, um zu antworten, doch Artair kam ihm zuvor. »Ich würde einfach den Fuß des Kerls packen und festhalten.«
    Dylan unterdrückte ein Grinsen. »Ach ja?«
    »Natürlich. Jeder Idiot würde ...«
    »Na schön, Crash, zeig uns das mal.«
    Artair ließ sich nicht lange bitten. Er schlenderte in die Mitte des Burghofes und wippte auf den Zehenspitzen auf und ab. »Versuch's doch, wenn du den Mut hast!«
    Dylan, der bereits Grundhaltung eingenommen hatte, sprang und trat mit dem rechten Bein nach Artair. Dieser packte seinen rechten Fuß, wie er angekündigt hatte, doch in diesem Moment riss Dylan das linke Bein gleichfalls hoch und traf Artair mit dem Stiefel so hart an der Brust, dass er zurücktaumelte.
    Der junge Mann stieß einen Schwall übler Beschimpfungen aus, während er sich bemühte, nicht vollends das Gleichgewicht zu verlieren. »Das war unfair!«
    »Ach ja? Erzähl das mal den Engländern!« Die anderen kicherten, und Artair lief vor Wut hochrot an.
    »Lass es mich noch mal versuchen. Ich zeig dir, was ich gemeint habe.«
    Dylan nickte und nahm erneut Grundhaltung ein. Wieder setzte er zum Sprung an, und diesmal packte Artair seinen Fuß und verdrehte ihn nach rechts. Augenblicklich verlagerte Dylan sein gesamtes Gewicht auf den Fuß in Artairs Hand, zog das linke Knie an, schmetterte es seinem Gegner unter das Kinn und vollführte eine Drehung um die eigene Achse in der Luft, bevor er wieder sicher auf dem Boden landete.
    »Och!«, entfuhr es Artair, der zurücktaumelte und sich das Kinn hielt. Die anderen sparten nicht mit hämischen Bemerkungen, und auch Dylan konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das war zu viel für Artair. Er griff in sein Hemd, riss seinen sgian dubh aus der unter seinem Arm befestigten Scheide und ging damit auf Dylan los.
    »Bist du verrückt geworden?« Dylan zückte Brigid und wehrte den Angriff gerade noch rechtzeitig ab. »Steck sofort den Dolch weg!« Er wich ein Stück zurück.
    Robin und Seumas brüllten Artair zu, er solle mit dem Unsinn aufhören, aber Artair achtete gar nicht auf sie. Wieder drang er auf Dylan ein, holte aus und führte einen tief angesetzten Dolchstoß gegen ihn. Dylan wich weiter zurück, ohne sich zu wehren, denn er wollte um jeden Preis verhindern, dass Blut floss. Er schlug die Richtung zur Tür zur großen Halle ein.
    Als Artair sah, wohin Dylan sich zurückzog, blieb er unschlüssig stehen, dann schlenderte er davon. Vermutlich wollte er vermeiden, dass Iain den Kampf mit ansah. Dylan schob Brigid in die Scheide zurück und beobachtete, wie Artair seinen Kilt vom Boden aufhob und zum Westturm hinüberging, wo seine Schlafkammer lag. Die anderen Schüler sahen ihm schweigend nach.
    »Putz«, knurrte Dylan leise, und obwohl keiner der anderen Jiddisch verstand, wussten alle, was er meinte.
    Als Vater Turnbull das nächste Mal nach Ciorram kam, suchte er Dylan auf, um mit ihm über seine Unterrichtsstunden zu reden. Er fand ihn auf den Feldern im Norden des Tals, wo er damit beschäftigt war, Wild aus dem Getreide zu scheuchen.
    »Dieser Unterricht verstößt gegen das dritte Gebot, mein Sohn.«
    »Inwiefern?« Dylan schleuderte einen weiteren Stein in die Richtung, in der eine Ricke verschwunden war, obwohl er sie nicht mehr sehen konnte. Das

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