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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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wenn er in der Stimmung gewesen wäre, ihr jetzt ein paar grundlegende Dinge zu erklären, konnte er sich unmöglich darauf konzentrieren, sich an all das zu erinnern, was er in der siebten Klasse gelernt hatte. Aber er zwang sich, ihr zuzuflüstern: »Wenn wir eine Tochter bekommen sollen, dann bekommen wir eine. Wir haben keinen direkten Einfluss darauf.«
    »Dylan ...«
    »Schscht.« Er küsste sie sanft auf den Mund, presste sie an sich und murmelte, ehe sein bewusstes Denken aussetzte: »Dann lass uns unsere Tochter machen ...«
    Den ganzen Sommer lang verbrachten sie fast jeden Sonntagabend in der Burg. Dylan genoss die Treffen mit seiner Verwandtschaft weit mehr als früher die gemeinsamen Mahlzeiten mit seinen Eltern, und die Besuche bei Iain, Una und dem Rest des Clans bildeten eine angenehme Abwechslung von den harten Arbeitstagen. Nachdem er erkannt hatte, dass Familientreffen nicht zwingend in einer Katastrophe enden mussten, gewann Dylan eine ganz neue Einstellung zur Familie als solche. In seinem Inneren löste sich ein Knoten, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er da gewesen war, und eine stille Freude erfüllte sein Leben, die auch Artair und Bedford ihm nicht nehmen konnten.
    Die Sonntage verbrachte man im Tal im Allgemeinen damit, Spiele auszutragen, Musik zu machen und bis in die Nacht hinein über Viehpreise, die zu erwartende Ernte und die neuesten politischen Nachrichten zu diskutieren, die die Händler aus Inverness mitbrachten.
    Während der langen Nachmittage spielten die Jungen und Männer auf der Weide vor dem Torhaus Soccer. Obwohl der Lederball viel schwerer war als die aus Gummi, die Dylan in seiner Jugend herumgekickt hatte, und obwohl die Spieler viel rauer zu Werke gingen als die amerikanischen Vorortkids, mit denen er gebolzt hatte, brachten ihm diese Spiele ein Stück Heimat zurück. Und schon bald entwickelte er sich zu einem ganz annehmbaren Spieler, sodass die gutmütigen Neckereien über seine koloniale Herkunft allmählich verstummten.
    Manchmal, trafen sich Seumas und Dylan im Burghof und trugen mit Spießen oder Übungsschwertern Sparringskämpfe aus. Robin und ein paar andere Männer schlossen sich ihnen an, und die Jungen des Clans sahen neidisch zu. Bald bettelte Eóin Dylan an, ihm die asiatischen Kampftechniken beizubringen. Der Junge hatte zu der Klasse gehört, die Dylan vor seiner ersten Verhaftung ein paar Wochen lang unterrichtet hatte, und verfügte daher bereits über ein grobes Basiswissen. Also begann Dylan, Eóin sonntags weiter auszubilden, und der Junge legte eine solche Begeisterung an den Tag, dass Dylan vergaß, dass er diesmal nicht dafür bezahlt wurde.
    Es dauerte nur ein paar Wochen, bis die Männer des Clans gleichfalls am Unterricht teilnahmen. Seumas zeigte dabei nicht weniger Enthusiasmus als Eóin, denn er sah ein, dass er sich die Technik, nie dort zu sein, wo der Gegner ihn vermutete, auch gut selbst zu Nutze machen konnte. Robin gesellte sich zu ihnen, und auch Marc kam, wann immer seine Pflichten als Familienvater ihm Zeit dazu ließen. Sogar Tormod und Owen ließen sich regelmäßig blicken, obwohl sie älter waren und generell nicht mehr so auf das Kämpfen erpicht.
    Natürlich ließ es sich nicht vermeiden, dass schon bald auch Artair auftauchte. Da er sich unbedingt als besserer Kämpfer als Dylan erweisen wollte, stellte er zunächst einmal alles infrage, was Dylan sagte. Wenn Dylan eine bestimmte Taktik zum Entwaffnen eines Gegners erklärte, stritt sich Artair so lange mit ihm herum, bis die Bewegungen an seiner Person erprobt wurden. Nach einer Weile rief Dylan immer Artair auf, wenn er etwas vorführen wollte, weil er wusste, dass alles letztendlich sowieso darauf hinauslief. Niemand im Tal wusste, was er meinte, als er anfing, Artair >Crashtest< zu rufen, allerdings wäre Artair wohl sofort mit seinem Dolch auf ihn losgegangen, wenn Dylan noch >Dummy< hinzugefügt hätte.
    Es sollte sich bald herausstellen, dass Artair jede Gelegenheit nutzte, seinen Lehrer zu verletzen. Mehr als einmal trug Dylan ein blaues Auge davon oder humpelte ein paar Tage, weil Artair ihn mit seinem Spieß >aus Versehen< am Knie getroffen hatte. Den kleinen Mistkerl zur Rede zu stellen würde nichts fruchten, und vom Unterricht ausschließen konnte Dylan ihn nicht. Und da er nicht wollte, dass die anderen ihn für eine wehleidige Memme hielten, ertrug er Artairs Provokationen klaglos.
    Doch Anfang September kam es dann zu einem ernsten Zwischenfall. An

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