Die Verbannung
überhören. Wenn er darauf einging, würde es zu einem Kampf kommen, der, wenn er eskalierte, jeden Matheson im Tal zwingen musste, sich auf die Seite des einen oder des anderen Kontrahenten zu schlagen. Und Dylan wollte keinesfalls zulassen, dass dieser anmaßende Grünschnabel Zwietracht im Clan säte. Er wandte sich an Robin, der Artair mit wutrotem Gesicht finster anstarrte. »Nimmst du diesmal Weiß?« Robin nickte, und Dylan drehte das Eichenbrett mit der Ebenholzeinlegearbeit. Ein Turm kippte um; Dylan richtete ihn behutsam wieder auf. »Es ist sowieso egal, welche Seite du nimmst. Ich gewinne ja doch.«
Robin kicherte, während er über seinen ersten Zug nachdachte.
Artair, der sich ärgerte, dass er nicht beachtet wurde, stand schließlich auf und ging zu einigen Männern hinüber, die sich Jagdgeschichten erzählten. Robin machte seinen Zug, und Dylan sagte leise: »Wenn ich nach Inverness gehe, werde ich Ciaran ganz offiziell adoptieren.«
Robin blickte verwirrt auf. »Aber warum denn?«
Dylan dämpfte seine Stimme noch mehr. »Wir beide wissen, dass er genauso wenig ein Ramsay ist wie Robin Hood. Ich möchte seinen Namen in Matheson ändern lassen, solange er noch so klein ist. Dann muss er nie erfahren, dass er einmal anders geheißen hat.«
»Aber das ändert doch nichts daran, dass ...«
»Ich weiß. Einige Leute werden ihn immer noch für Ramsays Sohn halten, andere werden denken, er wäre meiner, aber nichts sagen. Aber zumindest trägt er dann meinen Namen und erbt mein Land, wenn mir etwas zustößt.«
»Aber Anwälte sind teuer.«
Dylan nickte. »Ich habe noch genug Geld.«
»Glaubst du wirklich, dass Artair dann den Mund halten wird?«
Dylan warf Caits rotblondem Onkel einen verächtlichen Blick zu. »Nein. Der macht so lange weiter, bis ich ihm endgültig das Maul stopfe.«
Robin grinste. »Sag mir aber vorher Bescheid. Das möchte ich auf keinen Fall versäumen.«
Dylan kicherte ein wenig und machte seinen ersten Zug.
19. KAPITEL
Damit Fleisch auf den Tisch kam, während er darauf wartete, dass seine Rinder fett wurden, schnitzte sich Dylan einen Bogen aus Eibenholz und ein paar Pfeile. Er versah sie mit Eisenspitzen aus Tormods Schmiede, die er mit dem ersten erlegten Hasen bezahlen wollte. Sein Geschick im Umgang mit Pfeil und Bogen war immer noch nicht besonders groß, aber in den Wäldern im Süden seines Besitzes wimmelte es von Wild, das drei Jahre lang nur gelegentlich von einem Wilderer aufgescheucht worden war, der Mut genug gehabt hatte, Ländereien der Krone zu betreten. Schon bald konnte er seine Schulden bei Tormod bezahlen, und danach brachte er von seinen Streifzügen fast immer ein kleines Tier oder einen Vogel mit.
Anfang August kehrte er von einem dieser Jagdausflüge mit einem toten Hasen zurück, den er bei den Ohren gefasst hatte. Er hatte dem Tierchen das Genick brechen müssen, da der Pfeil es nur verwundet hatte und er nicht mit ansehen konnte, wie es langsam und qualvoll verendete.
Weil er brennenden Durst verspürte, ging er zu dem Hügel, auf dem ein Bach entsprang, der über Felsen sprudelte und sich am Fuß des Hügels inmitten von Bäumen, Farn und Schilf zu einem kleinen See sammelte. Es war ein warmer, trockener Tag, und er lechzte nach einem Schluck Wasser, bevor er die Anhöhe zu seinem Haus emporsteigen musste. Am Bach niederkniend, trank er gierig und pflückte dann etwas Kresse, die am Rand wuchs, stopfte sie in den Mund und kaute genüsslich.
Wenn Cait ihm ein mit Käse gefülltes Bannock zum Lunch mitgab, kam er manchmal hierher, um Kresse dazu zu pflücken. Die Dauerdiät aus Fleisch und Kohlehydraten war ihm zu eintönig, und es gelang ihm selten, Cait dazu zu überreden, frisches Gemüse zu kochen. In den Küchengärten der Burg wuchsen zwar Kohl, Zwiebeln, Lauch und andere Ge-müsesorten, die für die Arbeiter in der Burg bestimmt waren, aber sie lehnte derartige Speisen als Armeleuteessen ab. Er konnte sie auch nicht davon überzeugen, dass Gemüse wichtig für die Gesundheit war. Also aß Dylan im Sommer viel Kresse und gelegentlich gekochten Kohl, wenn Cait sich dazu herabließ, welchen zuzubereiten.
Er schluckte die Kresse hinunter und spülte mit etwas Wasser nach, dann packte er den Hasen wieder bei den Ohren, um seinen Weg fortzusetzen.
Kurz darauf war er so nahe bei seinem Hof angelangt, dass er Kinderstimmen hören konnte. Vermutlich waren Eóin und sein jüngerer Bruder Gregor zu Besuch gekommen, um mit Ciaran zu spielen.
Weitere Kostenlose Bücher