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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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den Stuhl sinken und nahm noch einen großen Schluck.
    Tormod wühlte in einer großen Holzkiste herum. »Hast du genug Whisky im Bauch, Dylan?«
    Dylan musterte den Krug und schüttelte ihn leicht. Er hatte schätzungsweise einen halben Liter von dem Zeug getrunken, eher noch etwas mehr. »Glaub schon.« Er setzte den Krug noch einmal an und spülte den Mund mit Whisky aus, bevor er das scharfe Gebräu hinunterschluckte.
    »Könntest du mir vielleicht ein Schlückchen übrig lassen?«
    »Du kannst den Rest haben, wenn du mir nicht den Kiefer brichst. Falls doch, kriegst du Ärger mit meiner Frau.«
    Torinod grinste. »Och, Dylan, du verstehst es, einem Mann Angst einzujagen.«
    Donnchadh brachte ein Leinentuch, von dem Tormod ein etwa handtellergroßes Stück abriss. Dann kramte er eine Zange mit langem Griff aus seiner Werkzeugkiste und schob sie in seinen Gürtel. »Ich bin so weit, Dylan. Soll Donnchadh deine Arme festhalten?«
    Dylan spreizte die Finger und überlegte einen Moment. »Nicht nötig.« Er stellte den Whiskykrug auf den Boden und krallte die Hände um die Lehnen des Stuhls.
    »Leg den Kopf zurück.«
    Dylan gehorchte und öffnete den Mund. Der kalte Luftzug, der seinen abgebrochenen Zahn traf, ließ den Schmerz wieder aufflammen. Tormod schob ihm einen nach Eisen, Kohle und Öl schmeckenden Finger in den Mund und untersuchte die Stelle. »Sehr gut. Es ist noch genug übrig, dass ich die Zange sicher ansetzen kann.« Er zog ein kleines Stück Holz aus seiner Hemdtasche, hielt es an die Zahnlücke und zückte dann seinen Dolch, um es ein wenig zurechtzuschnitzen. Noch einmal überprüfte er die Größe, dann schob er den kleinen Pflock in die Lücke. Ein sengender Schmerz schoss durch Dylans Kiefer, doch er kniff nur die Augen zusammen. »Das soll verhindern, dass der Zahn zerbricht, wenn ich ihn herausreiße«, erklärte Tormod.
    Er nahm das Leinenstück, faltete es in der Mitte, legte es über den kranken Zahn und drückte mit der anderen Hand Dylans Kopf gegen die Rückenlehne des Stuhls. Dann zog er die Zange aus seinem Gürtel. Dylan schloss gottergeben die Augen und holte tief Atem, als Tormod ihm die Zange in den Mund schob und an der mit dem Leinentuch bedeckten Zahnruine ansetzte. Der Schmied hielt Dylans Kinn fest und begann kräftig an dem Zahn zu ruckeln. Es krachte zweimal ekelerregend, rot glühender Schmerz erfüllte Dylans ganzen Kopf, er grunzte erstickt und krallte die Finger noch fester um die Stuhllehne. Noch ein Ruck, und der blutige Zahn hing in Tormods Zange. Der Schmied trat einen Schritt zurück, Dylan beugte sich vor und atmete vorsichtig durch die Nase. Sein Mund füllte sich mit Blut; ein feines Rinnsal tröpfelte zwischen seinen Lippen hervor und rann ihm über das Kinn.
    »Spuck aus.«
    Dylan spie einen großen Klumpen Blut und Speichel auf den Boden. Der Schmerz in seinem Kiefer war zu einem dumpfen Pochen abgeebbt, das bis zur Schädeldecke strahlte. Tormod riss ein weiteres Stück von dem Leinentuch ab und befahl Dylan, noch einmal den Mund zu öffnen. Dann stopfte er das zusammengerollte Tuch in die Lücke, wo der Zahn gesessen hatte, und Dylan biss darauf. Augenblicklich sog sich das Leinen mit Blut voll, und das Ende, das aus seinem Mund hing, färbte sich rot.
    »Kannst du den Kiefer bewegen?«
    Dylan überprüfte vorsichtig, ob sein Kiefer gebrochen war, dann griff er nach dem Whiskykrug und reichte ihn Tormod mit einem zufriedenen Nicken. Aus seinem sporran nahm er zwei Shilling und drückte sie dem Schmied ebenfalls in die Hand, bevor er aufstand, sich mit einem Nicken verabschiedete und den Heimweg antrat.
    Wenn der Tag nicht so kalt gewesen wäre, hätte er sich am liebsten unter einem Busch zusammengerollt, um seinen Rausch auszuschlafen, doch zu Hause erwarteten ihn Cait und ein warmes Kaminfeuer, also ging er rasch durch das Dorf, um dann den Pfad zum Torfmoor einzuschlagen.
    Sein unversehrt gebliebener Kiefer schien alles zu sein, was das Glück an diesem Tag für ihn bereithielt, denn als er an Nana Pettigrews Haus vorbeikam, traten gerade drei Rotröcke zur Tür heraus. Einer war Niall MacCorkindale. Ein anderer knöpfte noch seine Hose zu.
    Dylan wollte, angetrunken, wie er war, und von hämmernden Kopfschmerzen geplagt, ausgerechnet diesen Männern nach Möglichkeit nicht über den Weg laufen. Aber es war zu spät. MacCorkindale hatte ihn schon erspäht und flüsterte den anderen Soldaten etwas zu. Die Rotröcke richteten ihre Musketen auf Dylan, und

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