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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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wusste, dass ihm das lediglich wund gescheuerte Handgelenke einbringen würde. »Nein! Tut das nicht!« Es kostete ihn große Mühe, seine Stimme halbwegs fest klingen zu lassen. Dann presste er das Gesicht gegen den kalten Stein und kniff die Augen zusammen.
    Der Leutnant befahl seinen Leuten, den Raum zu verlassen. Sie gehorchten wortlos. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, herrschte tiefe Stille. Wenn Dylan die leisen Atemzüge des Leutnants nicht gehört hätte, wäre er der Meinung gewesen, allein im Raum zu sein. Die Furcht droh-te ihn zu überwältigen, er drückte das Gesicht noch fester gegen die Wand und flüsterte hastige, inbrünstige Gebete vor sich hin, wieder und immer wieder. Endlich sagte er laut auf Gälisch: »Ich habe den Pferden kein Haar gekrümmt.«
    Der Leutnant erwiderte auf Englisch: »Wer dann?«
    Dylan auf Gälisch: »Ich nicht.«
    MacCorkindale sprach immer noch Englisch. »Dann sagt mir, wer das getan hat.«
    »Ihr müsst doch wissen, dass Ihr auf diese Frage keine Antwort erhaltet. Selbst wenn ich den Schuldigen kennen würde, dürfte ich Euch seinen Namen nicht nennen. Aber ich habe keine Ahnung, wer das getan haben könnte, und ich werde auch niemanden ausdrücklich verdächtigen. Ich bin kein Schuft, der den Namen eines Clansmitgliedes an die Sassunaich verrät.« Er wandte den Kopf so weit wie möglich zur Seite und schielte zu MacCorkindale hinüber. »Und das wisst Ihr ganz genau.« Wieder zerrte er an seinen Fesseln. Obwohl er dagegen ankämpfte, merkte er, wie sich ein flehender Unterton in seine Stimme schlich. »Warum lasst Ihr mich nicht einfach gehen, damit ich zu meiner Familie zurückkehren kann?«
    »Gehört Ihr immer noch zu den Jakobiten? Wir wissen, wer die Pferde getötet hat. Uns interessiert viel mehr, wer demjenigen den Befehl dazu gegeben hat.«
    Ein roter Schleier der Wut legte sich vor Dylans Augen. Wie wild zerrte er an seinen Fesseln. »Gottverfluchter Sassunaich! Elender Verräter! Ihr seid einer von ihnen geworden! Ihr würdet Eure eigenen Leute vernichten, nur um Euren Posten zu behalten! Wenn Ihr mich auspeitschen wollt, tut Euch keinen Zwang an. Aber ich sage Euch gleich, dass Euch das auch nicht weiterhelfen wird. Schaut Euch nur meinen Rücken an. Ihr denkt alle, ich müsste das schwächste Glied in diesem Clan sein, weil ich in Amerika geboren bin, aber glaubt mir, eher sterbe ich, als dass ich einen meiner Leute verrate. Also tötet mich ruhig, dann habt Ihr es hinter Euch.« Wieder bemühte er sich, MacCorkindale ins Gesicht zu sehen. »Aber ehe Ihr das tut, schickt jemanden zu meiner Frau. Jetzt sofort. Schickt einen Eurer Männer zu ihr. Lasst sie heute nicht allein.« Seine Stimme überschlug sich fast. »Nicht heute!«
    MacCorkindale runzelte die Stirn. »Was wisst Ihr, was andere nicht wissen, Matheson?«
    Dylan fasste die Ketten mit den Fäusten und starrte den mit Binsen bedeckten Fußboden an, ohne etwas darauf zu sagen.
    Der Leutnant kam zu ihm herüber und zog den Kragen seines Hemdes zurück, um einen Blick auf Dylans Rücken zu werfen. Er sog zischend die Luft ein, dann sagte er leise: »Großer Gott!« Auf Gälisch fuhr er fort: »Was soll denn heute passieren, Matheson? Hat Euch Eure Fee etwas verraten, was Ihr mir verheimlichen wollt?«
    Dylan zwinkerte verblüfft. Wusste MacCorkindale über Sinann Bescheid? Oder hatte er nur mit Vater Turnbull gesprochen? Vorsichtig erwiderte er: »Es geht nur um meine Frau, Sie ist bedroht worden. Ich schwöre Euch, dass ich nichts mit den getöteten Pferden zu tun habe. Aber je länger Ihr mich hier festhaltet, desto größer wird die Gefahr für Cait.«
    Der Leutnant überlegte einen Moment, dann erwiderte er nachdenklich: »Und Ihr habt Euch widerstandslos verhaften lassen, obwohl Ihr solche Angst um Eure Frau habt?«
    »Was blieb mir denn anderes übrig? Tot nütze ich ihr nichts mehr.«
    »Und Ihr schwört, dass Ihr den Pferden kein Haar gekrümmt habt?«
    »Das habe ich doch schon gesagt.« Er wusste, dass die Leute hier glaubten, ein falscher Schwur würde ewige Verdammnis nach sich ziehen, und er lebte lange genug in diesem Land und hatte genug seltsame Dinge gesehen, um zumindest teilweise selbst daran zu glauben. »Ich schwöre es.«
    Wieder schien der Leutnant mit sich zu ringen. Dylan spürte geradezu, wie ihm die Zeit unter den Fingern verrann. Endlich löste MacCorkindale mit einem tiefen Seufzer Dylans Fesseln. »Nehmt Euch eines der Pferde, die draußen stehen«,

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