Die Verbannung
gar keine Infanteristen stationiert waren, sondern Dragoner, die zwar Musketen benutzten, aber nicht mit Bajonetten kämpften. Bei den Dragonern aus der Baracke handelte es sich zumeist um Späher oder Kavalleristen. Außerdem war diese spezielle Bajonettart bei den Engländern seit ihrer Niederlage bei Killiecrankie im Jahre 1689 nicht mehr in Gebrauch, weil es zu lange dauerte, die Stichwaffen auf die Musketen aufzuschrauben. Das Bajonett in Dylans Hand wurde schon seit fast dreißig Jahren nicht mehr benutzt.
Trotz all dieser Widersprüche war Dylan davon überzeugt, dass Bedford der Mörder war. Niemand sonst kam als Täter infrage. Er bemühte sich, seiner Wut Herr zu werden, um klar und logisch denken zu können. Nachdem er mehrmals tief durchgeatmet hatte, ballte er die Hände zu Fäusten, damit das Zittern endlich aufhörte.
Nach einer Weile drehte er sich wieder zu Cody um, blickte sie zum ersten Mal bewusst an und runzelte ob der Art, wie sie gekleidet war, missbilligend die Stirn. »Zieh die Jeans aus«, befahl er.
» Wie bitte?«
»Zieh die Jeans aus, schnell.« Seine Stimme klang barsch. Er hatte keine Lust, sich jetzt auf eine Diskussion einzulassen, die seine Wut nur von neuem anfachen würde. »Sarah ist zur Burg gelaufen, um Hilfe zu holen. Wenn die Leute hier dich so sehen - eine Frau in Hosen! -, dann halten sie dich für verrückt. Vielleicht sperren sie dich sogar als Irrsinnige ein. Du bist eine Fremde, und keine Frau, die bei Verstand ist, würde sich wie ein Mann kleiden. Hier ...« Er wühlte in einem Korb voller Lumpen herum und förderte Caits altes Kleid zu Tage, das zwar abgetragen und verschlissen war, aber seinen Zweck noch erfüllen würde. »Zieh das über deine Bluse, und dann können wir nur hoffen, dass es niemandem auffällt, dass du kein Leinenhemd darunter trägst.«
»Dylan, ich glaube nicht...«
»Tu einfach, was ich dir sage!« Dylan war nahe daran, einen Mord zu begehen, und im Moment war ihm fast jedes Opfer recht. »Fang keine Diskussionen mit mir an, du weißt ja gar nicht, wo du hier hineingeraten bist. Also zieh die verdammten Jeans aus, und zwar ein bisschen dalli.« Er drehte sich zu dem Gerstenfass um. »Sinann, hilf ihr!«
Sinann schnippte mit den Fingern, woraufhin die Nähte der Hose aufplatzten und Gürtelschlaufen, Nieten und die aufgesetzten Gesäßtaschen durch die Luft flogen. Cody schrie vor Schreck laut auf. Dylan warf ihr das Kleid zu. »Beeil dich«, drängte er. »Viel Zeit haben wir nicht mehr. Meine Clansleute werden bald hier sein, und sie werden nach Rache lechzen. Meine Frau war im ganzen Tal sehr beliebt.«
Cody schlüpfte in das Kleid, und Dylan half ihr, es zuzuschnüren. Dann las er Schmutz und Staub vom Boden auf und rieb ihr damit Gesicht, Haar und Kleidung ein. Sie sprang zurück und versuchte, seine Hände wegzuschieben. »Was soll das? Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?«
Dylan fuhr ungerührt fort, sie mit Schmutz einzureiben. Dabei erklärte er: »Du hast eine lange Reise hinter dir. Deine Haube und dein Gepäck hast du verloren, und dein Begleiter ist bei einem Sturz von einem Felsen ums Leben gekommen. Du stammst aus Glasgow und bist schon seit Tagen unterwegs, bist hungrig wie der Satan - aber nimm ja nicht so ein Wort in den Mund! und du suchst mich, weil ich dein Vetter bin. Du bist die Tochter der Schwester meiner Mutter. Präge dir das gut ein. Du kennst nur die Familie meiner Mutter, an meinen Vater kannst du dich nicht erinnern. Sag kein Wort über meinen Vater, hörst du? Du stammst aus Virginia, und ich weiß, dass du mich besuchen willst. Ich habe vor sechs Monaten einen Brief von dir bekommen. Kannst du dir das merken?«
Cody nickte. Sie wirkte vollkommen verängstigt, als wolle sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, aber sie nahm sich zusammen. Dylan trat einen Schritt zurück, um sie zu betrachten. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Cody sah genauso aus wie gestern in seiner Vision. Er drehte sich zu Sinann um, weil er wissen wollte, was hier eigentlich gespielt wurde, aber die Fee hatte noch immer das Gesicht in den Händen verborgen und schluchzte leise. Auch Cody hatte sichtlich Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
Dylan packte sie am Arm und zog sie nach draußen. Dann deutete er auf die Haferfelder, die im Sonnenlicht sattgrün schimmerten. »Geh in diese Richtung, immer am Rand des Feldes entlang, nicht mittendurch, sonst hinterlässt du eine Spur, die meilenweit zu sehen ist. Wenn du das Ende
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