Die Verbannung
fiel. Einer begann unruhig auf seinem Stuhl herumzurutschen.
»Und was würdet Ihr zu Mr. Wingham sagen, wenn es mir gelänge, ihn herbeizuzaubern? Immer vorausgesetzt, dass er überhaupt existiert.« Der Wirt fuhr sich mit zitternden Fingern über seine schimmernde Glatze.
Dylan blickte an ihm vorbei zur Tür, überzeugte sich davon, dass keine verdächtigen Gestalten dort herumlungerten, und beobachtete gleichzeitig die anderen Gäste verstohlen. »Ich würde ihm ebenfalls sagen, dass ich nach ihm fragen soll.«
Seumas kicherte leise, doch der Wirt fand die Bemerkung offensichtlich weniger lustig, denn er wandte sich verstimmt ab.
Der nervöse Mann am Tisch stand auf, stieg über die Bank hinweg und strebte rasch zur Tür. Aus dem Augenwinkel heraus sah Dylan ihm nach. Die beiden anderen erhoben sich ebenfalls und kamen zu ihm herüber. Der Größere von beiden wandte sich an Dylan. »Wir haben zufällig gehört, wie Ihr nach ...«
»Dann müsst Ihr Ohren wie eine Fledermaus haben«, unterbrach Dylan ihn schroff. »Ich bin wirklich beeindruckt.« Ein spöttisches Lächeln spielte um seine Lippen.
»Was wollt Ihr von Polonius?« Sein Gegenüber blähte sich streitlustig auf. Offenbar wollte er Dylan klar machen, wer hier das Sagen hatte.
Dylan ging nicht auf das prahlerische Gehabe ein. »Holt ihn her, dann erfahrt Ihr es.« Er sah dem Kampfhahn fest in die Augen und spreizte drohend die Finger der rechten Hand, ohne jedoch nach einer Waffe zu greifen.
Der andere wölbte die Brust noch weiter heraus. »Wo kommen wir denn hin, wenn ich jedem dahergelaufenen Vagabunden gestatten würde, Mr. Wingham zu belästigen!« Beim Sprechen schloss er die Hand um den Dolch in seinem Gürtel. »Und Euch muss ich erst wohl bessere Manieren ...« Weiter kam er nicht. Im selben Augenblick, wo er die Waffe aus der Scheide zog, schoss Dylans linke Hand vor und krall-te sich um das Handgelenk seines Gegners. Gleichzeitig bog er dessen Daumen nach hinten, bis der Schmerz den Prahlhans auf die Knie zwang. Mit der rechten Hand fing er den Dolch auf, der dem Mann entglitten war.
Seumas kicherte schadenfroh, bückte sich und grinste dem Mann in das schmerzverzerrte Gesicht. »Tut weh, was?« Seine Stimme verriet eigene leidvolle Erfahrung.
Ohne den Griff um den Daumen seines Gegners zu lockern, setzte Dylan dem Mann die Spitze seines eigenen Dolchs an die heftig pochende Halsschlagader, ehe er betont freundlich fragte: »Verratet Ihr mir nun, wo ich Wingham finde?«
»Ich bin hier.«
Die Stimme kam von der Tür her. Seumas wirbelte mit gezücktem Dolch herum. Dylan warf ihm einen strafenden Blick zu, woraufhin Seumas rot anlief, wohl wissend, dass er es versäumt hatte, auf das zu achten, was hinter ihnen vorging Dylan setzte seinem wehrlosen Gegner einen Fuß auf die Brust und drückte ihn rücklings zu Boden, bevor er sich zu der Stimme umdrehte. Seumas trat hinter ihn, um ihn vor einem neuen Angriff seitens des ersten Marines zu schützen.
Wingham, der lässig am Türrahmen lehnte, war der größte Mann, den Dylan bislang in diesem Jahrhundert gesehen hatte und musste gut sechs Fuß messen. Er trug gut geschnittene enge Hosen und einen weinroten Samtmantel. Die lange Nase, die ausgeprägten Wangenknochen und das kräftige Kinn verliehen seinem Gesicht einen würdevollen Ausdruck, der nicht so recht zu seinem Beruf passen wollte. Sogar im schwachen Kerzenlicht bemerkte Dylan, dass in seinen Augen ein belustigter Funke tanzte und ein leises Lächeln um seine Mundwinkel spielte.
»Meinen Glückwunsch. Es passiert George nicht oft, dass ihn jemand in seine Schranken weist. Er überschreitet oft seine Grenzen, nur um zu sehen, wie weit er gehen kann. Und Ihr würdet überrascht sein, wenn Ihr wüsstest, wie oft er damit durchkommt.« Winghams walisischer Akzent klang tief und grollend, aber nicht so fremdartig, wie Dylan erwartet hatte. In der Tat erinnerte er ein wenig an die Sprechweise der aus Liverpool stammenden Mitglieder der Beatles. Wingham wandte sich an den auf dem Boden liegenden Mann. »Geh hinaus, George, und nimm die anderen mit.« Dylan gab George frei. Wingham wartete, bis die drei Männer den Schankraum verlassen hatten, ehe er sich vom Türrahmen abstieß und zu einem Tisch hinüberschlenderte. »Kommt. Setzt Euch und esst und trinkt, während wir darauf warten, dass der Mond aufgeht. Wir haben heute Nacht noch viel zu tun.« Als Dylan und Seumas sich nicht von der Stelle rührten, hob er die Hände und kehrte
Weitere Kostenlose Bücher