Die Verbannung
die Handflächen nach außen. »Es sei denn, Ihr zieht es vor, wie die Holzklötze hier stehen zu bleiben, bis die Zeit zum Aufbruch gekommen ist.«
Dylan zuckte die Schultern und nahm am Tisch Platz. Seumas folgte ihm zögernd, worauf sich Dylan an den großen Mann wandte. »Mein Name ist Dilean Dubh, und dies ist Seumas Glas.«
Wingham musterte ihre Kilts. »Ihr seid also beide Highlander?«
»Euch entgeht wirklich nichts.«
Wingham schüttelte leicht den Kopf und hob die Schultern. »Ich bin bloß überrascht, weiter nichts.« Mehr sagte er nicht dazu, sondern winkte den kahlköpfigen Wirt zu sich. »Bringt uns bitte etwas zu essen. Und für jeden einen Krug Ale.« Der Wirt eilte davon, um hastig ein paar Stücke von dem Hammel abzusäbeln, der an einem Spieß über dem Feuer röstete. Dylan entging nicht, dass er Wingham anscheinend für wichtig und einflussreich genug hielt, um ihn eigenhändig zu bedienen. Wingham richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn und Seumas. »Wie viele Pferde habt Ihr mitgebracht?«
»Nur die zwei, die wir reiten.«
»Verdammt!« Wingham verdrehte die Augen zur Decke, dann beugte er sich vor. »Hat er denn meine Nachricht nicht erhalten?«
Wenn das eine rhetorische Frage sein sollte, dann klang sie jedenfalls ganz und gar nicht so, aber Dylan gedachte sie oh-nehin nicht zu beantworten. Er wollte nicht eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, worum es hier eigentlich ging. »Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Wir sind mit zwei Pferden hier. Wie viele brauchen wir denn?«
»Mindestes vier, fünf wären besser. Es sei denn, Ihr wollt alles in einen großen Karren verladen. Bedenkt noch - einzelne Pferde und Männer können sich trennen und bilden ein weniger verlockendes Ziel für etwaige Straßenräuber.«
Dylan blickte ihn verwirrt an. »Was um alles in der Welt sollen wir denn transportieren?«
Wingham stutzte. »Das wisst Ihr nicht?« Als Dylan nur die Schultern zuckte, erklärte er: »Sherry. Fünfundzwanzig Fässer.«
Dylan schnappte vernehmlich nach Luft. »Ach, du lieber Himmel!«
Wingham schickte einen seiner Männer los, um einen stabiler Pferdewagen herbeizuschaffen. Während der nächsten halben Stunde besprachen er und Dylan beim Essen die Einzelheiten der Übergabe. Wingham fuchtelte mit seinem Dolch durch die Luft, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, als er sagte: »Und richtet Eurem Arbeitgeber aus, dass ich ein Fass als Bezahlung für den Wagen einbehalte.« Dylan nickte, wobei er bei sich dachte, dass er Ramsay bei seiner Rückkehr einiges zu sagen haben würde. Wie hatte der Mann ihn einer solchen Situation aussetzen können? Warum hatte er ihm nicht vorher entsprechende Instruktionen erteilt? Einen Moment lang überlegte er, ob wohl auch James Bond jemals in eine solche Patsche geraten wäre.
Der Sherry war in einer Kirche in der Nähe des Flusses versteckt. Sowie der Mond aufgegangen war, fuhren Wingham und seine Männer mit Dylan und Seumas dorthin. Der Pfarrer erwartete sie bereits; in seinen schwarzen Gewändern verschmolz er fast mit der Dunkelheit. Dylan wunderte sich darüber, dass ein Mann Gottes sich auf so krumme Geschäfte einließ, aber dem Pfarrer schien die Vorstellung, die Krone um ihre horrenden Zollgebühren zu bringen, keine sonderlichen Gewissensbisse zu bereiten.
Sogar in diesem Jahrhundert beliefen sich die Zölle auf manche Einfuhrwaren auf satte einhundertzwölf Prozent des Warenwertes. Kaum einer von König Georges Untertanen war gewillt oder überhaupt in der Lage, solche Preise zu bezahlen, daher blühte das Schmuggelgeschäft, das zudem noch hohe Profite versprach. Wer sich nicht aktiv daran beteiligte, kassierte dafür, dass er einfach wegschaute. Als einer von Winghams Männern dem Pfarrer den versprochenen Lohn für das Lagern der Schmuggelware aushändigte, grinste der Gottesmann zufrieden, ließ die Münzen in seiner Hand klimpern und verkündete stolz, er werde davon eine Glocke für die Kirche kaufen.
Dylan senkte den Kopf, damit man sein Lächeln nicht sah. Der Zweck schien hier die Mittel zu heiligen.
Der Mann, der das Geld verwaltete, war ein kleiner, zurückhaltender Bursche, der sich nicht so aufwändig kleidete wie Wingham, aber mit demselben Akzent sprach. Er schien alles zu wissen, erteilte aber nur selten einen Befehl. Dylan hielt ihn für so etwas wie Winghams Stellvertreter, obwohl er für einen Schmuggler eigentlich zu klein und schmächtig war. Ein solcher Knirps war nicht gerade der Mann, von
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