Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
zu ihm. Auf Gälisch zischte sie ihm verächtlich »Feigling!« ins Ohr.
    Mit zusammengebissenen Zähnen knirschte er leise zurück: »Immer noch besser, als eine Musketenkugel in den Kopf zu kriegen, du kleines Miststück!« Als die Soldaten ihn umzingelten, erkannte er, dass er ohnehin keine Chancen zur Flucht gehabt hätte, die Übermacht der Gegner war erdrückend. Wingham war tot, und er konnte hören, wie seine beiden Gefährten versuchten, sich auf dem Wasserweg in Sicherheit zu bringen. Doch draußen auf dem Firth versperrte ihnen ein wie ein Weihnachtsbaum des 20. Jahrhunderts erleuchtetes Schiff der Regierung den Weg. Der Krone war es gelungen, ein berüchtigtes Schmugglerschiff dingfest zu machen, und in Kürze würden die Rotröcke herausfinden, dass ihnen überdies ein jakobitischer Spion ins Netz gegangen war.
    Einer der Soldaten entriss Dylan den Brief, zwei andere entwaffneten ihn hastig. Sie nahmen ihm auch den unter sei-nem Hemdsärmel verborgenen sgian dubh und seinen sporran ab. Der Rotrock, der den Brief in den Händen hielt, erstarrte, als sein Blick auf das Siegel fiel, dann trieb er Dylan ohne ein weiteres Wort mit vorgehaltenem Bajonett zu seinem Pferd und befahl ihm barsch, in den Sattel zu steigen. Winghams Leiche wurde hinter ihm festgeschnallt.
    Sinann flatterte aufgeregt neben ihm her. »Soll ich ein paar Knöpfe fliegen lassen, mein Freund?«
    Dylan schüttelte den Kopf. Zu viele Musketen waren auf ihn gerichtet. So erstaunlich Sinanns Zauberkräfte auch waren, sie konnte sich immer nur einen einzelnen Soldaten vornehmen, und jemand zu töten war sie überhaupt nicht im Stande. Die Rotröcke noch mehr in Rage zu bringen, zählte nicht zu seinen Vorstellungen von einer brillanten Strategie. Sinann begleitete ihn bis zum Tolbooth, dem Stadtgefängnis, wo ihn die Soldaten vom Pferd zerrten und in das Gebäude hineinstießen. Eine Wendeltreppe führte zu den Verliesen hinunter. Dylans Bewacher bohrte ihm die Bajonettspitze in den Rücken und drängte ihn in eine kleine Zelle. Der andere Rotrock legte ihm eine Fußfessel an und befestigte die Kette an einer in der Mitte der Zelle im Boden verankerten Eisenstange, dann verließen die Soldaten wortlos den Raum.
    Dylan blieb allein im Dunkeln zurück. Seufzend legte er sich auf dem mit Stroh bedeckten Boden zum Schlafen nieder.
    »Ich weiß wirklich nicht, wie du jetzt schlafen kannst!« Sinann landete vor ihm und verschränkte ärgerlich die Arme vor der Brust.
    Wieder seufzte er. »Ich wüsste nicht, was ich Besseres tun könnte. Sie haben mich zumindest nicht sofort erschossen, also habe ich vielleicht noch eine Chance, mit heiler Haut davonzukommen. Wenn ich keinen Schlaf bekomme, geht es mir morgen früh dreckig, und dann bin ich niemandem von Nutzen, am allerwenigsten mir selbst. Außerdem kann ich im Moment doch nichts machen ...«
    Sinann schnippte mit den Fingern, und die Zellentür flog auf.
    Dylan grunzte nur und schlug seinen Mantelkragen hoch. »Mach sie wieder zu, Tink.«
    »Du bist ein ...«
    »Ich sagte, mach sie wieder zu. Ich will nicht schon wieder fliehen. Selbst wenn ich hier rauskäme, ohne erschossen zu werden, dürfte ich es nie wieder wagen, in Caits oder Ciarans Nähe zu kommen. Nie wieder. Wo läge also der Sinn eines Fluchtversuches?«
    »Du würdest weiterleben.«
    »Und wofür?« Eine lange Pause entstand. Dylan blickte zu der offenen Zellentür hinüber. »Mach sie wieder zu, Tinkerbell.«
    »Sie werden dich hängen.«
    »Dann sollen sie mich doch hängen.«
    Wieder herrschte eine Weile Stille, dann schwang die Tür leise quietschend zurück und fiel ins Schloss; der Riegel schob sich vor. Dylan rollte sich im schmutzigen Stroh zusammen und schloss die Augen.
    Am nächsten Morgen erinnerten ihn seine schmerzenden Knochen daran, dass die Nächte in Ramsays Gastzimmer ihn ziemlich verweichlicht hatten. Er setzte sich auf, streckte sich und hoffte, man würde ihm bald etwas zu essen bringen, obgleich er fürchtete, dass die Mahlzeit ohnehin ungenießbar sein würde. Graues Sonnenlicht fiel durch das einzige vergitterte Fenster hoch oben in der Wand über ihm in die Zelle. Die Oberfläche der weiß getünchten Wände war rau und unregelmäßig, sie sahen aus, als sei die Zelle direkt in den Felsen gehauen worden. Die ersten drei Fuß bestanden aus Felsgestein, darüber waren sauber behauene Steinblöcke geschichtet.
    Die Zelle war schmal, und die Eisenstange, an die er gekettet war, verlief mitten hindurch. Wenn er

Weitere Kostenlose Bücher