Die Verbannung
wollte, konnte er bis zur Tür gehen und durch das darin eingelassene kleine vergitterte Fenster auf den Gang hinausblicken. Doch er sah keinen großen Sinn darin, also blieb er am Ende der Zelle sitzen und wartete.
Sein Magen knurrte, und die feuchte Kälte drang ihm durch Mark und Bein. Es war ein rauer, ungemütlicher Wintertag, aber in der Zelle gab es kein Feuer, an dem er sich hätte wärmen können. »Sinann?«, fragte er leise.
»Aye?« Sie war noch da, zeigte sich aber nicht.
»Es ist eiskalt in diesem Loch. Könntest du etwas dagegen unternehmen?«
»Och, natürlich.« Sie schnippte mit den Fingern, und die Felswand hinter ihm begann sich zu erwärmen. Dylan kuschelte sich fester daran, scharrte etwas Stroh vom Boden zusammen, um sich damit notdürftig zuzudecken, und hüllte sich enger in sein Plaid und seinen Mantel. Später am Tag erhielt er zu essen - ein Stück Brot und einen Krug brackiges Wasser. Das Brot war eine angenehme Überraschung; in den Verliesen von Fort William hatte er nur wässrigen Haferbrei bekommen.
Ein weiterer Tag brach an, noch kälter als der vorangegangene und entschieden verregneter. Der Stein, an dem Dylan lehnte, war über Nacht ausgekühlt, doch als Sinann erwachte, sorgte sie dafür, dass er wieder warm wurde. Dylan schmiegte sich dagegen und wartete weiter.
Am späten Nachmittag drehte sich ein Schlüssel im Schloss, die Tür ging auf, ein hoch gewachsener Dragoner betrat die Zelle und blieb vor Dylan stehen. »Einen schönen Tag wünsche ich«, begrüßte er ihn spöttisch. »Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen.« Es war Bedford.
Dylan hielt den Kopf gesenkt und blinzelte in der Hoffnung, der Sassunaich würde ihn nicht erkennen, aus den Augenwinkeln zu ihm hoch. Aber vergebens, der Major sperrte den Mund auf, und seine Augen weiteten sich überrascht, bevor er seine Fassung wiedergewann. »Matheson!«, stellte er nicht ohne eine gewisse Befriedigung fest.
Dylan gab keine Antwort.
Ein böses Lächeln spielte um die Lippen des Majors. »Sieh an, sieh an. Die ganze Angelegenheit scheint sich entschieden erfreulicher zu entwickeln, als ich gehofft hatte. Als man mir sagte, ein paar übereifrige Gesetzeshüter seien auf einen Spion der Rebellen gestoßen, hätte ich nie zu träumen gewagt, dass ihnen ein solch dicker Fisch ins Netz gegangen sein könnte. Heute scheint mein Glückstag zu sein.« Geistes-abwesend presste er eine Hand auf die Brust; genau auf die Stelle, wo ihn Dylan 1714 bei seiner Flucht aus Fort William schwer verwundet hatte. »Ich nehme an, Ihr seid nun endgültig zu den Jakobiten übergelaufen?«
»Ich lasse nur das Verbrechen der bereits verbüßten Strafe folgen.«
»Ihr habt es zu etwas gebracht, seit Ihr dem Einfluss dieses unbedeutenden Lairds eines noch unbedeutenderen Clans entronnen seid. Bei Euch wurde eine verschlüsselte Botschaft mit dem Siegel James Stuarts gefunden. Ich will wissen, was in diesem Brief steht und von wem er stammt.«
Dylan zwinkerte, als er begriff, dass Bedford ihn immer noch nicht mit Ramsays Leibwächter Mac a'Chlaidheimh in Verbindung brachte. »Wenn der Brief James' Siegel trägt, dann wette ich meine gesamte Barschaft darauf, dass er auch der Absender ist.«
Bedford rang sichtlich um Geduld. »Wer hat ihn Euch gegeben?«
»Meine alte Tante Fanny. Sie treibt es schon seit dem Unionsvertrag mit Seiner Majestät, wusstet Ihr das etwa nicht?«
Bedford runzelte verwirrt die Stirn, bevor ihm aufging, dass Dylan ihn zum Narren hielt. Verstimmt presste er die Lippen zusammen. »Vielleicht erinnert Ihr Euch noch daran, dass es mir keinerlei Gewissensbisse bereitet, einen widerspenstigen Gefangenen zu Tode zu peitschen. Ihr seid immer noch ein Outlaw, Eure Familie hält Euch seit fast zwei Jahren für tot, also glaubt mir ruhig, dass ich nicht zögern werde, Euch mit der Peitsche zu bearbeiten, bis Ihr mir alles gesagt habt, was ich hören will.«
Der Gedanke an die in der Garnison erlittenen Qualen jagte Dylan einen Schauer über den Rücken. Flüchtig erwog er, Ramsay ans Messer zu liefern, aber Bedfords Verbindung zu dem reichen Kaufmann hinderte ihn daran. Wenn er Ramsay an Bedford verriet, tat er sich selbst keinen Gefallen damit. Außerdem hatte er noch andere Bedenken. Er schuldete seinem Arbeitgeber Loyalität, er hatte sich zum Stillschweigen verpflichtet, und so würde er erst dann den Mund aufma-chen, wenn etwas Wichtigeres auf dem Spiel stand als seine Ehre. Außerdem würde Ramsay vermutlich ohnehin auf
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