Die Verbannung
nachdrücklich. »Es ist wahr. Deine Cait hat niemandem verraten, dass du gar nicht in der Garnison umgekommen bist, auch Robin Innis nicht.«
Dylan brannte darauf, mehr zu erfahren, aber er wagte nicht, ihr Fragen zu stellen, solange sich seine Kameraden in Hörweite befanden. Zum Glück brachte es Sinann nicht fertig, ihr Wissen für sich zu behalten, und fuhr von sich aus fort: »Robin hat dich das letzte Mal vor dem Aufstand gesehen; er denkt, du müsstest im Kampf gefallen sein. Und Cait will dich schützen. Sie hat ihrem Vater nicht die Wahrheit gesagt, weil sie fürchtet, dass er sofort Männer losschicken würde, die dich in einen Hinterhalt locken und töten sollen. Iain kann dich nicht vor den Augen seiner Leute umbringen, denn das würde böses Blut geben. Cait weiß, dass der Clan sich auf deine Seite schlagen wird, wenn du die Burg unversehrt erreichst.«
Als Dylan ihr einen fragenden Blick zuwarf, nickte sie. »Aye, sie würden geschlossen hinter dir stehen. Du hast großen Einfluss im Tal ausgeübt. Artair konnte seine Freude kaum verbergen, als er hörte, du seiest in Fort William umgekommen. Sollte er erfahren, dass du zurückkehrst, würde er alles daransetzen, dich aus dem Weg zu räumen. Deine Cait rettet dir schon wieder das Leben - und dieses Mal vielleicht auf Kosten von dem ihres Vaters.«
Dylan schloss die Augen. Er sorgte sich um Cait, aber zugleich erfüllte ihn glühender Stolz auf ihren Mut und ihre Willensstärke. Mehr denn je wünschte er sich, sie zur Frau zu haben.
Als die Sonne unterging, kleideten sich die Männer wieder an und verbrachten die Nacht an dem Feuer, das Seumas entfacht hatte, um Bannocks zu backen. Dylan war mit sich und der Welt zufrieden. Endlich konnte er nach Hause zurückkehren.
Am vierten Tag legten sie keine Rast ein, als die Sonne hinter den mit dem ersten grünen Gras des Jahres bedeckten Bergen versank, sondern marschierten zügig an Fort William vorbei und schlugen ihr Nachtlager erst auf, als sie Banavie hinter sich gelassen hatten. Dylan fühlte sich in der Gegend rund um die Garnison alles andere als wohl, und auch keiner der anderen Männer konnte einen Zusammenstoß mit den Rotröcken riskieren, da sie alle als Gefolgsleute Rob Roys bekannt waren. Lange nach Einbruch der Dunkelheit nahmen sie daher die Gastfreundschaft eines älteren Ehepaares in Glen Affric in Anspruch, das fünf Söhne und drei Töchter hatte. Sie bekamen Bannocks mit Honig vorgesetzt, dann machten es sich die Männer auf dem Boden vor dem Feuer, die Frauen auf den Stühlen und die Jüngeren auf ihren Pritschen entlang der Torfwände bequem, und man begann, Geschichten zu erzählen.
»Ihr wollt also nach Tigh a'Mhadaidh Bhäin?«, fragte eine alte Frau, deren Leibesfülle alles übertraf, was Dylan bislang in Schottland gesehen hatte. Sie schlug ihre Röcke im Schoß zusammen, hielt sie mit den Knien fest und beugte sich interessiert vor. Mit ihrem breiten Lächeln und ihrem fröhlichen Wesen erschien sie Dylan wie die Verkörperung der sprichwörtlichen lustigen Dicken. Aber in diesem Jahrhundert und in dieser Gegend hatte jeder, der so viel zu essen bekam, dass er Fett ansetzen konnte, allen Grund, gute Laune zu verbreiten.
Dylan nickte nur, während er Honig von seinem Daumen leckte. Er beabsichtigte nicht, sich näher über sein Reiseziel auszulassen.
Einer der Söhne, ein hellhaariger Halbwüchsiger, schlug vor: »Erzähl ihnen doch von dem weißen Hund, Mutter.«
Das Lächeln der Alten wurde breiter. »Es gibt da eine Geschichte darüber, wie die Burg zu ihrem Namen kam ...«, begann sie bereitwillig. Dylan lehnte sich schweigend gegen die Torfwand hinter ihm. Es wäre unhöflich gewesen, durchblicken zu lassen, dass er die Geschichte schon kannte. Die meisten Geschichten, die an Abenden wie diesem erzählt wurden, waren den Zuhörern längst vertraut. Das Vergnügen bestand darin, eine alte Geschichte in einer neuen Version zu hören.
Auch diese hier hatte sich ein wenig verändert. Die Frau fing an: »Als ich ein junges Mädchen war, herrschte ein Laird namens Cormac Matheson auf der Burg ...« Die Originalgeschichte spielte vor mehreren Jahrhunderten, und Dylan wusste, dass der Vorgänger des jetzigen Lairds Donnchadh und der davor Fearghas geheißen hatte, aber er berichtigte die Erzählerin nicht, sondern hörte ruhig zu. » ... und der besaß einen riesigen weißen Hund. Dieser Hund war seinem Herrn so ergeben, dass niemand es gewagt hätte, Hand an den Laird zu
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