Die Verbannung
ihm dabei ins linke Bein schossen. Aber er entkam, indem er sich wieder in einen Seehund zurückverwandelte und zu seiner selkie-Frau zurückkehrte. Ein Fischer aus Inverness hat ihn gesehen, einen langen schwarzen Seehund mit einer Narbe an der Schwanzflos.se, die von der englischen Musketenkugel stammte.«
Dylan schüttelte den Kopf und begann, seine linke Gamasche abzustreifen. »Der Mann, von dem Ihr sprecht, wurde am Bein verwundet, verhaftet und nach Fort William geschafft, von wo er fliehen konnte. Dann arbeitete er bis zum letzten Jakobitenaufstand für Rob Roy MacGregor. Und jetzt kehrt er zurück, um seine Braut zu holen, die Tochter von Iain Mór von Tigh a'Mhadaidh Bhäin. Sein Name ist Dylan Mathe-son, und er sitzt vor Euch.« Dylan nahm die Gamasche ab, streifte den Wöllstrumpf herunter und streckte das Bein aus, um den anderen die weiße Narbe an seiner Wade zu zeigen. Die ganze Familie drängte sich voller Staunen um ihn.
Seumas nickte. »Aye, er sagt die Wahrheit. Ich habe selbst mit ihm gekämpft, und es stimmt, er ist nie da, wo man ihn vermutet.«
Die Familie verfiel in ehrfürchtiges Schweigen, und die Alte gab ein verwundertes »Och!« von sich. Dylan fürchtete zunächst, es könne ein Fehler gewesen sein, so offen gesprochen zu haben, aber schon bald setzte die Unterhaltung wieder ein, und er wurde bedrängt, eine Geschichte aus seiner Zeit bei Rob Roy zu erzählen. Erleichtert streifte er Strumpf und Gamasche wieder über und erzählte, wie er aus Fort William geflohen war, wobei er aber wohlweislich verschwieg, dass Sinann ihm dabei geholfen hatte, über die Mauer zu fliegen. Er nahm an, dass irgendein Geschichtenerzähler, vielleicht sogar die alte Frau selber, irgendetwas in dieser Art hinzuerfinden würde. Dann berichtete er, wie Rob ihn halb tot am Ufer des Nevis gefunden hatte, von der Entführung Connor Ramsays und davon, wie Rob einer Witwe Geld für die fällige Pacht gegeben und es prompt von den Pachteintreibern zurückgestohlen hatte.
Das Geschichtenerzählen dauerte bis lange in die Nacht hinein, bis sich alle schließlich erschöpft auf ihren Pritschen oder auf dem Boden vor dem Feuer zusammenrollten.
Am nächsten Morgen verkündete der hellhaarige Junge vor der versammelten Familie, er wolle Dylans Gruppe bis Glen Ciorram begleiten, was Dylan nicht sonderlich überraschte. Nachdem die Eltern eingewilligt hatten, erlaubte er dem Jungen, sich ihnen anzuschließen. Der Bursche glühte vor Stolz, weil er mit Dylan Dubh reisen durfte.
So kam es, dass Mitte April des Jahres 1716 sieben Männer den Felshang hinter der neuen steinernen Garnison am Taleingang von Glen Ciorram erklommen und dabei wachsam nach Rotröcken Ausschau hielten. Dichtes Farngestrüpp verbarg sie vor den Blicken der Soldaten, als sie ins Tal hinunterstiegen und unterhalb der Kirche auf den Pfad gelangten, der zur Burg führte.
Da Ciorram nur ein kleines Dorf war, fielen die fremden, gut bewaffneten Männer, die da so unverfroren durch das Tal marschierten, den Einheimischen natürlich sofort auf. Dylan führte die Gruppe direkt auf die Burg zu, ohne auf die Menschen zu achten, die aufgeregt von Haus zu Haus rannten. Die meisten kamen ihm bekannt vor, und er begann sich das Hirn zu zermartern, um sich an ihre Namen zu erinnern. Viele hatte er schlicht und einfach vergessen, da er sich lange nicht gestattet hatte, an all diese Leute zu denken, die ihm so fehlten. Die Näherin Nana Pettigrew war noch da, stellte er fest. Sie stand auf der Straße und unterhielt sich mit der Frau aus dem Haus neben der Kirche. Dieses Haus musste neu gebaut worden sein, es hatte noch nicht hier gestanden, als Dylan aus dem Tal vertrieben worden war. Er winkte Nana zu, doch sie winkte nicht zurück, sondern starrte ihn nur an.
Weiter hinten auf dem Weg, der sich zwischen den Lehen der Mathesons hindurchwand, stand eine junge Frau, die er zunächst für Marsaili Mathesons älteste Tochter hielt. Ganz sicher war er aber nicht, denn die Frau trug ein Kopftuch und war hochschwanger. Als er Marsailis Tochter das letzte Mal gesehen hatte, war sie ihm viel zu jung vorgekommen, um zu heiraten, obwohl es nicht ungewöhnlich war, dass Mädchen bereits mit achtzehn Jahren die Ehe eingingen. Marsaili selbst war schwer krank gewesen, als er das Tal verlassen hatte, und Robin Innis hatte ihm an dem Tag, an dem er ihm von Ciarans Geburt berichtet hatte, auch von ihrem Tod Kenntnis gegeben. Dylan lächelte, während er und seine Männer den
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