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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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diese Schwielen immer noch?« Giannino senkte mürrisch den Kopf. »Jetzt wird sie neue haben.«
    Stefano lächelte. »Ich verstehe nicht«, sagte er nach langem Schweigen, »weshalb Sie sich schämen müßten. Ihre Verlobte hat doch nichts mit der da gemein.« »Das will ich meinen«, fuhr Giannino auf, »was glauben Sie denn? Nicht nach ihr umdrehen würde ich mich, wenn es nicht so wäre. Sie kennen uns doch?« Er lachte wie vorher. »Keinen Gedanken habe ich an diese Magd gewandt.« »Ja und?«
    »Und es ist mir lästig, wie eine Braut behandelt zu werden. Ich kenne die Frauen gut genug, um zu wissen, was ich zu tun habe, wann man sie besuchen muß und wann nicht. Eine Verlobte ist keine Geliebte, und auf jeden Fall ist sie eine Frau und müßte das einsehen.«
    »Aber Sie wollten ihr doch einen Bären aufinden«, sagte Stefano.
    »Was meinen Sie damit? Mich nicht sehen lassen? …
    Gewiß! Sie hätte nicht ihre Schwägerin auf mich hetzen dürfen, damit sie ihr Bescheid sagte.«
    »Die Schwägerin soll Foschina sein?« »Toschina.«
    Nach einem Weilchen begann Stefano zu lachen. Ein bitteres zähneknirschendes Lachen, um es zu verbergen, biß er sich auf die Lippen. Er dachte an Concia, die nackt und braun auf den Steinen hockte; an eine Carmela, die sehr weiß und mit ekler Miene auf den Steinen hockte. Er sah Gianninos Augen und stammelte aufs Ungefähr:
    »Wenn Ihnen das Kind lästig ist, warum sagen Sie Ihrer Verlobten nicht, daß Sie als Junge Concias Hintern gesehen haben? Sie würde sie aus dem Haus jagen.«
    »Sie kennen uns nicht«, sagte Giannino. »Der Respekt vor dem alten Spanò hält das Haus zusammen. Wir wachen alle eifersüchtig über Concia.«

    Wieder kam es Stefano vor, als erwarteten ihn viele Gedanken, als sei ihm viel Nichtiges widerfahren; aber er konnte sich nicht dazu verstehen, darüber nachzudenken und starrte auf die Tür. Gianninos Schritt knirschte im Hof, dann erstarb er auf dem Pfad, der neben dem Haus zur Hauptstraße hinaufführte. Durch die feuchte Türöffnung drang das Brausen des Meeres.
    Giannino hatte bläulichen Pfeifendunst zurückgelassen, als hätte er sein Bärtchen in den Pfeifenkopf gestopf, um es zu rauchen. Vermischt mit der Kühle der Nacht brachten diese zarten Schwaden den Geruch des vergangenen Sommers in seiner Reife mit sich, den Geruch von frühmorgendlicher Schwüle und von Schweiß. Der Tabak war dunkel wie Concias Hals. Würde Elena wiederkehren? Die Tür war unverschlossen. Auch das erinnerte an eine Zelle; wer an ihre Klappe trat, konnte eintreten und mit ihm sprechen. Elena, der Ziegenhirte, der Junge mit dem Wasser und selbst Giannino konnten eintreten, jeder ein Kerkermeister, jeder wie der Wachtmeister, der ihm indessen vertraute und seit Monaten nicht mehr kam. Stefano war erstaunt über so viel Einförmigkeit in diesem seltsamen Dasein. Der reglose Sommer war in trägem Schweigen vergangen wie ein einziger verträumter Nachmittag. Von all diesen Gesichtern, all diesen Gedanken, all diesem Bangen und all diesem Frieden blieb nur ein leichtes Gekräusel zurück wie der Widerschein einer Schüssel voll Wasser auf einer Zimmerdecke. Und selbst das dumpfrütende Land, ausgeblichen vom Meer wie eine rosenfarbene Mauer, mit seinen wenigen fleischigen Sträuchern, mit seinen nackten Felsen und Baumstämmen, war etwas Flüchtiges und Unwirkliches gewesen wie Elenas von der Fensterscheibe ausgesperrtes Gesicht. Die Illusion und der Geruch des ganzen Sommers waren in aller Stille in Stefanos Blut und Zimmer gedrungen, so wie Concia hier eingetreten war, ohne daß ihre braunen Füße über die Schwelle kamen.
    Und Giannino gehörte auch gar nicht zu den Kerkermeistern, er war eher ein Gefährte, denn er konnte schweigen, und Stefano hatte es gern, wenn er allein zurückblieb, um die Dinge zu überdenken, die zwischen ihnen unausgesprochen geblieben waren. Das Eigentümliche an Gianninos Gegenwart war, daß sie ihn jedesmal überraschte wie eine friedliche Phantasterei. Darin glich sie einer Begegnung auf der Straße, die sich mit ihrer unveränderlichen Atmosphäre dann der Erinnerung einprägt. Auf der glühendheißen Straße, die hinter dem Haus aus dem Dorf hinausführte, zwischen ihren schattenlosen Olivenbäumen, war Stefano eines Tages einem barfüßigen Bettler begegnet, der bei jedem Schritt aufsprang, als versengten die Kiesel ihm die Fußsohlen. Er war halbnackt und von Schorf bedeckt, der braunverbrannt aussah wie sein Bart; und seine Sprünge,

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