Die Verbindung: Thriller (German Edition)
deshalb kam ihm der Streik schon wie eine ferne Erinnerung vor. Nachdem er mehrere Monate in Shepherds Bush und Hammersmith Streife gegangen war, begann er sich allmählich wie ein normaler Copper zu fühlen. Und jetzt stand er kurz davor, auf die andere Seite des Flusses versetzt zu werden, nach Southwark. Das passte ihm gut, weil ein neues Revier eine willkommene Abwechslung bieten würde.
In der Zwischenzeit hatte Carlyle noch eine Woche Urlaub abzufeiern. Allerdings war ihm nach zwei Tagen schon langweilig, und er wurde ruhelos. Deshalb war Carlyle, als er eine Nachricht von Dominic Silver vorfand, der sagte, er wolle mit ihm »plaudern«, glücklich, ihm den Gefallen zu tun. Er hatte Dom seit rund sechs Monaten nicht mehr gesehen.
Sie waren zum letzten Mal vor dem Bergwerk Maltby im Osten von Rotherham zusammen gewesen. Nach einer langen, anstrengenden Schicht hatten sie wie zwei Kinder, die gerade aus der Schule gekommen waren, auf dem Bürgersteig Murmeln gespielt. Die kürzlich erworbenen Murmeln hatten schon einen gewissen Liebhaberwert, weil sie bei einer der brutaleren Auseinandersetzungen des Konflikts mit der Schleuder auf sie abgeschossen worden waren.
»Das ist super«, hatte Dom gerufen und gelacht, als er noch ein Spiel gegen Carlyle gewann und ihn dabei um zwei Pfund erleichterte. »Wenn Murmeln alles sind, womit sie kämpfen können, dann haben wir absolut nichts zu befürchten. Sie sind wirklich und wahrhaftig am Arsch.«
Wie er so in Silvers neuer Junggesellenbude saß, neidisch seine Pornomagazine beäugte und seinen neuen Zwanzigzollfernseher von Philips betrachtete, fragte Carlyle sich, wo das Geld für diesen ganzen Luxus herkam. Bestimmt kam es nicht vom Murmelspielen oder vom Überstundenlohn bei der Polizei. Carlyle selbst wohnte immer noch bei seinen Eltern in Fulham und konnte sich nicht mal den Kauf einer Außentoilette irgendwo in einem Umkreis von zweihundert Meilen um London leisten. Mieten war nicht viel leichter. Doms Wohnung schien weit, weit über seine Verhältnisse zu gehen. Sie nahm das oberste Stockwerk eines viktorianischen Hauses ein und musste ihn nach Carlyles Schätzung locker zwanzig Riesen gekostet haben, vielleicht mehr. Das war verteufelt viel Geld für einen Jungen von Anfang zwanzig. Mit Sicherheit gäbe dir niemand eine Hypothek über diesen Betrag beim Gehalt eines Constable.
»Die Blödmänner. Sie hätten die Schrift an der Wand schon längst sehen können.« Dom stand in einem Van-Morrison-Wavelength-T-Shirt in der Türöffnung und schwenkte einen großen Joint in Richtung Fernseher. Carlyle fiel auf, dass Dom im Begriff war, sich in einen echten Hippiescheißer zu verwandeln. Was war nur mit dem Punk geschehen? Es war fast so, als hätte es The Clash, die sich nur noch dem Namen nach durchschlugen, nie gegeben.
Der Geruch war gut, aber Carlyle lehnte Doms Angebot eines Joints ab. Hasch war wirklich nicht sein Ding; er bekam unweigerlich rasende Kopfschmerzen und musste kotzen. Er mochte die Drogen lieber, die ihn auf Trab brachten, nicht die, die ihn langsamer machten.
Carlyle sah, wie die Glut aufleuchtete, als Dom noch einen gierigen Zug nahm. Zurück im Fernsehland erschien einer der Gewerkschaftsführer auf dem Bildschirm und begann von »Würde«, »Solidarität« und dem »Bedürfnis, den Kampf fortzusetzen«, zu reden. Der Mann machte einen ausgezehrten und derart gequälten Eindruck, dass man fast erwartete, er würde jeden Moment in Tränen ausbrechen.
»Idioten!«, knurrte Dominic. »Esel, die Löwen führen.«
»Wenn die Löwen richtige Löwen wären«, fragte Carlyle, »wären sie dann wirklich einverstanden, sich von Eseln führen zu lassen?«
»Klugscheißer.« Dom machte noch einen Zug.
Carlyle zuckte mit den Achseln.
Doms Versuch, einen Rauchring zu blasen, schlug fehl. »Aber im Ernst«, sagte er durch den Nebel, »das ist eine verdammt gute Frage, Johnny-Boy … jetzt mach mal Platz.«
Carlyle rückte auf dem Sofa zur Seite, und Dom ließ sich neben ihn plumpsen. Während der nächsten Minuten starrte Dom wie gebannt auf den Fernsehbildschirm, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich wandten sich die Nachrichten anderen Geschichten zu. Anscheinend hatte Nelson Mandela einen Vorschlag der südafrikanischen Regierung abgelehnt, der vorsah, dass er aus dem Gefängnis entlassen würde, falls er im Gegenzug dem bewaffneten Kampf abschwor.
»Schlechte Entscheidung, Nelson, alter Junge«, bemerkte Dom unbekümmert.
»Wenn er mit ihnen
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