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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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gemacht, aber in ihrem Kopf spukte immer noch Yandao herum.
    Nachdem sie den Nachmittag für die ersten Behördengänge genutzt und sich in einer Zoohandlung über die artgerechte Haltung von Wasserschildkröten informiert hatte, setzte sich Marion in die U-Bahn, stieg in Altona um und fuhr zum Bahnhof Othmarschen. Für den Rest des Weges nahm sie ein Taxi. Auch wenn es erst früh am Abend war, behagte ihr die Vorstellung nicht, mit dem Kästchen in der Tasche allein durch die dunklen Straßen zu laufen.
    Der Teil von Othmarschen, in dem Professor Kirschner wohnte, war Marion fremd. Sie kannte niemanden, der sich eines der hinter Hecken und Zäunen versteckten Einzelhäuser hätte leisten können. Ihre Freunde lebten in Altona oder Eimsbüttel in Mietwohnungen mit viel Flair und wenig Komfort, und Marion zog diese lebendigen Stadtteile der in ihren Augen spießigen Idylle der Elbvororte vor.
    Das Gartentor zu Professor Kirschners Haus stand offen. Marion ging über einen Kiesweg durch einen gepflegten Vorgarten auf das hellerleuchtete Gebäude zu. Große Glasfronten und ein verwegener Grundriss verrieten auf den ersten Blick, dass das Haus in den siebziger Jahren von einem Architekten erbaut worden war, der nichts von Traditionen hielt. Damit schien er allerdings nicht den Geschmack der anderen Anwohner getroffen zu haben; das Haus der Kirschners war das einzige moderne Gebäude in einer Straße, die von dunklen Backsteinen und spitzgiebeligen Dächern dominiert war.
    Auf der Haustür klebten zwei Papierfiguren: Ein kleiner chinesischer Junge und ein Mädchen hielten Löwenmasken über ihren Köpfen, aus deren Mäulern Fahnen mit goldenen chinesischen Schriftzeichen hingen. Die Papierkinder hatten feiste, rosige Gesichter und trugen bunte Hemden und Hosen. Sie waren atemberaubend kitschig – und sehr chinesisch.
    Der Professor öffnete ihr die Tür persönlich. Marion war überrascht: Der Mann maß fast zwei Meter, und obwohl er über sechzig sein musste, waren seine Haare schwarz und dicht. Hinter seiner modischen Brille blitzten wache, dunkelbraune Augen. Sie hatte noch nie jemanden mit so vielen Krähenfüßen gesehen. Professor Kirschner schien viel zu lachen, oder aber er hatte zu oft in die Sonne geblinzelt. Sie fand ihn auf Anhieb sympathisch. Er hatte den hageren Körper eines Langstreckenläufers, und tatsächlich sah sie schlammbespritzte Joggingschuhe in dem Regal neben der Eingangstür stehen, die der Größe nach zu urteilen nur ihm gehören konnten.
    »Nin hao ma, Reuter xiaojie?«, begrüßte er sie überschwenglich.
    »Mamahuhu. Nin hao, Professor Kirschner«, antwortete Marion.
    »Sie sprechen Chinesisch?«
    »Nein. Ich habe meinen Wortschatz gerade so gut wie erschöpft. Ich kenne außerdem die Wörter für Bier und Klo.«
    »Sehr wichtige Vokabeln in China, lebenswichtige. Apropos: Ich habe Tsingtao-Bier im Kühlschrank. Möchten Sie eins?«
    »Liebend gern.«
    Marion begleitete ihn in die große, funktional eingerichtete Küche. Der verführerische Duft von scharfem Ingwer, aromatischen Wolkenohrenpilzen und würziger Austernsoße, der einem dampfenden Wok entstieg, katapultierte Marion sofort wieder zurück nach China. Frau Kirschner, die ebenso sportlich wirkte wie ihr Mann, war gerade dabei, Frühlingszwiebeln zu hacken. Sie wischte sich die Hände an ihren Jeans sauber und streckte sie Marion entgegen. Ihre randlose Brille war vom Kochen mit einem Fettfilm überzogen, und sie musste den Kopf senken, um über die Gläser sehen zu können.
    »Herzlich willkommen. Mein Mann hat mir gesagt, dass Sie gerade aus China zurückgekehrt sind. Sie bleiben doch zum Essen und erzählen uns von Ihren Abenteuern? Es ist viel zu lange her, seit ich selbst dort war.«
    »Waren Sie häufig in China?«
    »Sehr oft. Ich habe meinen Mann zu mehreren Grabungsprojekten und Seminaren begleitet. Ich liebe das Land und seine Menschen.«
    »Ich hätte es mir denken können: Ich kenne nicht viele Deutsche, die einen Küchengott im Haus haben«, stellte Marion fröhlich fest und zeigte auf das Bild einer chinesischen Gottheit über dem Herd.
    »Erzählen Sie es nicht weiter, aber wir bieten ihm sogar Süßigkeiten an, um seinen Mund zu verkleben, wenn er dem Höchsten Gott über uns berichten will. Unsere Nachbarn halten uns für ziemlich verschroben.«
    »Wieso? Ich habe eine Kuan Yin, eine dreibeinige Geldkröte und eine Wasserschildkröte. Ein Bronzekrieger wacht über die Wohnung, und vielleicht kaufe ich

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