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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Mord in Kashgar.
    »Die Gerüchte über die Antiquitätenschieberei kursieren schon lange«, bemerkte Koresh.
    Batügül lachte trocken auf. »Ich würde es nicht als Gerücht bezeichnen. Es ist wohl eher ein offenes Geheimnis.«
    »Habt ihr in diesem Zusammenhang mal den Namen Hakim gehört?«, fragte Yandao.
    Eine unbehagliche Stille folgte. Großvater Kumran beugte sich vor, bis sein Bart die Knie berührte, und vertiefte sich in das Studium der Teppichmuster. Batügül suchte Blickkontakt mit ihrem Vater, aber er wandte sich ab. Yandao wagte sich nicht zu rühren.
    »Er ist ein Dieb«, murmelte Batügül schließlich. »Sag’s ihm, Vater.«
    »Das wirst du nicht tun!«
    Sie fuhren herum. Yandaos Bericht hatte ihre Aufmerksamkeit so gefesselt, dass niemand bemerkt hatte, wie Osman sich der Gruppe näherte. Batügül hätte nicht sagen können, wie lange er schon außerhalb des Lichtkreises gestanden hatte. Jetzt trat er näher. Batügül erschrak. Sie hatte ihren Bruder noch nie so zornig gesehen. Er hatte noch mehr zu sagen, aber dann verschluckte er seine Worte, drehte sich um und verließ den Hof durch das Tor, das in den Garten führte.
    Batügül sprang auf und eilte Osman nach.

    Osman saß rauchend auf dem großen, gemauerten Brotofen.
    »Seid ihr völlig von Sinnen?«, fauchte er sie an, als sie sich neben ihm hochstemmte. »Wie könnt ihr es wagen, einen von uns zu verraten?«
    Batügül explodierte. »Nur weil er vor Jahrzehnten mit Papa bekannt war, ist er noch lange keiner von uns! Er verdient keine Solidarität. Er ist kriminell, ein einfacher Dieb – und vielleicht sogar ein Mörder. Ja, er steht auf einer Seite: seiner. Chinesen, Uighuren, das ist ihm doch alles egal. Hauptsache, das Geld stimmt. Und dafür plündert er unsere Kultur. Mit seinem Patriotismus ist es nicht weit her.«
    »Und wie steht es mit deinem? Du bist doch diejenige, die keine Gelegenheit auslässt, sich über die Verhältnisse in Xinjiang aufzuregen. Du bist diejenige, die heimlich Flugblätter verteilt und den Frauen Unterricht gibt. Und jetzt schleppst du einen Chinesen ins Haus. Schlimmer: einen Bullen vom Sicherheitsbüro.«
    Die Bitterkeit seiner Worte traf Batügül. Sie musste ihm recht geben: Ihre Einschätzung Yandaos stützte sich auf einen einzigen Abend und Marions Erzählungen. Und Marion spielte nach eigenen Regeln, so viel war ihr mittlerweile klargeworden. Wenn Yandao ein Spitzel war, konnte sie sich auch gleich selbst ins Arbeitslager einliefern. Ihr wurde eiskalt. Dann wischte sie den Gedanken beiseite. Ihre Menschenkenntnis hatte sie noch nie getrogen.
    »Du irrst dich«, sagte sie leise. »Das Schicksal hat einen guten Mann in unser Haus geweht. Ja, er ist Polizist, ein chinesischer Polizist. Aber er ist auch ein Mensch, der Brücken schlagen möchte. Siehst du das denn nicht?«
    »Glaub, was du willst. Ich werde das Haus erst wieder betreten, wenn der Bulle weg ist.«
    Wütend sprang Osman von dem Ofen und verschwand in den dunkelblauen Schatten der Bäume. Als Batügül in den Hof zurückging, hatte sie das Gefühl, ganz allein einen großen Ochsenkarren zu ziehen, schwer beladen mit Sorgen, Verantwortung und der Ungerechtigkeit der ganzen Welt.

    Yandao beobachtete Batügül, als sie niedergedrückt auf die Veranda zukam. Der Mond hatte den Hof in eine silberglänzende Märchenwelt verwandelt, aber Batügül wirkte wie ein Geist, blass und durchscheinend, von Sorgen geplagt, die er sich lebhaft ausmalen konnte. Er kannte ihre Akte, Koreshs Akte und auch die ihres Bruders. Die drei spielten mit dem Feuer, aber er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um sie zu schützen. Seine neuen Bekannten standen für Werte, die auch ihm etwas bedeuteten, Chinese hin, Uighure her.
    »Ich werde niemals, hörst du, niemals irgendetwas über diesen Abend nach außen dringen lassen«, sagte er, als Batügül sich wieder gesetzt hatte. »Niemand weiß, dass ich hier bin. Beruhigt dich das ein wenig?«
    »Danke«, sagte sie mit einem gequälten Lächeln. »Auch du gehst Risiken ein. Wir bringen uns nur alle gegenseitig in Gefahr.« Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht und schluchzte lautlos. Während Koresh seine Frau tröstete, musterte ihr Vater Yandao eindringlich.
    »Also gut«, sagte er schließlich. »Die Gerüchte stimmen. In dem Dorf, in dem Sie waren, werden immer wieder alte Gegenstände gefunden, die nicht gemeldet werden. Es gibt einen Mann, der die Geschäfte mit den Leuten abwickelt, die an den

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