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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Die Wege in den Ruinen sind sehr schlecht. Die Ruinen übrigens auch«, fügte er hinzu. »Der Wind hat von den Häusern wenig übrig gelassen.«
    Akhun pfiff und winkte, und sofort setzte einer der Kutscher sein Fuhrwerk in Bewegung. Sie stiegen auf, und das Pferd zockelte in Richtung des Plateaus. Nach wenigen Metern ließen sie die Bäume hinter sich. Li Yandao musterte Hakim Akhun unauffällig. Obwohl er sich davor hütete, ein vorschnelles Urteil zu fällen, hatte er den Eindruck, einen Volltreffer gelandet zu haben. Der Mann war überaus höflich, dennoch fühlte sich Li Yandao von ihm abgestoßen. Hinter der glatten Verbindlichkeit verbarg sich Intelligenz, zweifellos, aber auch Härte und Berechnung.
    Li Yandao schätzte den auffallend gutaussehenden Mann mit dem gepflegten, kurzen Bart auf zirka fünfzig Jahre, aber sein muskulöser Körper war der eines Dreißigjährigen. Während sich Li Yandao ungelenkig wie ein Greis auf den Karren gezogen hatte, war Akhun ihm mit einem geschmeidigen, an die Eleganz einer Katze erinnernden Sprung gefolgt. Selbst seine Haltung auf dem unbequemen Fuhrwerk wirkte entspannt und gleichzeitig energiegeladen.
    Während sie zu der ersten Ruine rumpelten, klärte Akhun ihn über die Geschichte von Melikawat auf. Li Yandao versuchte gar nicht erst, sich die unbekannten Namen der Könige und Feldherren zu merken. Im Großen und Ganzen war die Geschichte aller Städte und Kulturen auf dieser Welt gleich, dachte er desillusioniert. Der von verwirrenden Machtrangeleien und Kriegen begleitete Aufstieg einer unbedeutenden menschlichen Siedlung zu lokaler Größe, getrieben von einem ehrgeizigen Provinzpotentaten. Wenn die Zeit reif ist, wird eine bedauernswerte Prinzessin an den nachbarlichen Herrscher verschachert, um den Frieden zu sichern. Einige Jahrzehnte geht es gut, und der Handel blüht. Reichtum und Dekadenz herrschen am Hof, das Volk wird ausgebeutet, und dann fangen die fetten Söhne des Königs an, sich um den Thron zu streiten: die Einleitung des langsamen Niedergangs einer blühenden Stadt. Und am Ende bleibt nur ein verwitterter Haufen Steine und Lehm, der als Mahnmal der Vergänglichkeit menschlicher Eitelkeit aus dem Sand ragt – tot, verlassen, hoffnungslos.
    Li Yandao umrundete ratlos einen dieser deprimierenden Steinhaufen und versuchte, sich das hochherrschaftliche Haus vorzustellen, das es vor vielen hundert Jahren gewesen war. Musik und die Düfte eines Festmahls, schöne Frauen, goldene Becher und blühende Blumen hatten das Haus erfüllt, aber es gelang ihm nicht, diese Bilder in die trostlose Öde zu projizieren. Alles, was er sah, war eine formlose Wand. Ein Loch in der Mitte war vielleicht das Fenster gewesen, aus dem die Prinzessin über einen Garten geblickt hatte und von Heimweh verzehrt wurde.
    »Herr Zhang?«
    Li Yandao reagierte mit Verzögerung auf seinen neuen Namen. Er musste sich zusammenreißen. Akhun wies auf eine der Mauern. »Dies war die Küche. Man hat einige Krüge und Ähnliches ausgegraben. Wollen Sie sich als Nächstes das Kloster ansehen?«
    Bei dem buddhistischen Kloster, das in Li Yandaos Augen ebenso nichtssagend aussah wie das andere Gebäude, ließ Akhun ihn allein, um mit seiner grippekranken Frau zu telefonieren.
    Li Yandao setzte sich auf einen kleinen Wall und überlegte, wie es weitergehen sollte. Er musste etwas tun, um Akhun aus der Reserve zu locken. Natürlich konnte er ihn aus irgendeinem fadenscheinigen Grund verhaften, aber diese Möglichkeit widerstrebte ihm. Er hatte im Grunde nichts gegen den Mann in der Hand, und er bezweifelte, dass es einfach sein würde, ihm eine Verwicklung in den Antiquitätenschmuggel oder sogar in den Mordfall nachzuweisen.
    Nachdem Akhun sein Telefonat beendet hatte, brachte Li Yandao das Gespräch vorsichtig auf die Ausgrabungen.
    »Es muss spannend sein, in diesen alten Städten zu forschen. Jede kleine Scherbe hilft den Archäologen, sich ein Bild von dem Leben der früheren Einwohner zu machen. Es ist wie eine Schatzsuche.«
    »Schatzsuche?«, wiederholte Akhun in verächtlichem Ton. »Es ist harte Arbeit, und wenn sie Glück haben, ergeben die Scherben am Ende einen halben Krug.«
    »Aber all die Dinge in den Museen, die Figuren, die Bronzen …«
    »Die Zeit der spektakulären Entdeckungen ist vorbei«, sagte Akhun. Li Yandao horchte auf. Weidian hatte dieselben Worte benutzt.
    »Sven Hedin, Aurel Stein und die anderen Europäer, die vor hundert Jahren hier waren, haben ohnehin das

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