Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Seidenstraße angeeignet. Sein Aufkäufer in Kashgar versorgte ihn mit Geschichtsbüchern, Bildbänden und Museumskatalogen, und Akhun war stolz auf seine kleine Bibliothek. Er hatte es nicht zuletzt diesen Büchern zu verdanken, dass er in Melikawat angestellt worden war. Der Job war eine erstklassige Tarnung.
Mit dem Ton eines Lehrers, der einem begriffsstutzigen Kind die einfachste Sache der Welt erklärte, sprach Akhun weiter: »Als Erstes zeige ich deinen Fund meinem Mittelsmann, damit er sich ein Urteil bilden kann. Danach informiert dieser Mann seinen Chef. Und der entscheidet, wie viel er ausgeben will.«
»Und wenn es zu wenig ist?«
Akhun verlor die Nerven. »Überlass es mir zu beurteilen, ob es zu viel oder zu wenig Geld ist!«, fuhr er den jungen Mann an.
»Die Leute werden uns betrügen«, nörgelte Yakub.
»Weil du selbst auf Betrug aus bist.«
»Ich kann die Figur auch ohne dich verkaufen.«
»Bitte, versuch es. Du bist schneller im Gefängnis, als du bis drei gezählt hast«, antwortete Akhun ruhig. Wenn der Idiot überhaupt bis drei zählen konnte.
»Wie lange wird es dauern, bis ich das Geld habe?«, fragte Yakub.
»Sollte mein Partner interessiert sein, wird es etwa vier Wochen dauern.«
»Vier Wochen? Solange halte ich es niemals im Haus meines Vaters aus.«
»Stell dich nicht so an.«
Akhun begann, die über den Tisch verstreuten Bambusstäbchen einzusammeln.
»Was machst du da?«, fragte Yakub misstrauisch.
»Zusammenpacken. Was sonst?«
»Ich behalte die Sachen.«
»Ich habe dir doch erklärt, dass ich sie meinem Partner zeigen muss.«
»Dann begleite ich dich.«
»Nein. Das ist unmöglich.«
»Ich gebe sie nicht aus der Hand!«
»Und was soll ich meinem Partner sagen? Er wird sich kaum mit einer Beschreibung zufriedengeben.«
»Was weiß ich? Mach ein Foto. Du bist doch so schlau.«
Hakim Akhun gab resigniert auf. Yakub wollte es einfach nicht kapieren, aber er konnte ihm schlecht sein Eigentum entreißen. Er stand auf und ging in den Nebenraum.
»Wo willst du hin?«
»Meine Kamera holen.«
* * *
Die folgenden Tage vergingen wie im Flug. In seinen Tagträumen sah sich Yakub im teuersten Restaurant von Urumqi sitzen und seine Freunde bewirten. Sie würden ihn bewundern und um seine schöne Freundin beneiden, eine Sängerin oder einen Filmstar. Dann wieder brachte ihn ein Flugzeug an einen der exotischen Orte, die manchmal im Fernsehen gezeigt wurden: Paris, New York oder Bangkok. Das Leben zeigte sich ihm von seiner besten Seite. Wenn Yakub doch einmal Bedenken hatte, öffnete er das Kästchen, das er immer bei sich trug. Der weiche Glanz des Goldes auf der Pferdefigur beruhigte ihn. Die mysteriöse Figur übte einen eigenartigen Zauber auf ihn aus, und er hatte schon mit dem Gedanken gespielt, sie einfach zu behalten. Aber dann sah er das Auto, die Freundin, das rauschende Leben vor sich, das ihn erwartete, und dafür lohnte es sich, die Figur herzugeben. In vier Wochen war er reich.
Eine Woche nach seinem Fund kam es zum Eklat. Yakub hatte sich gerade bequem auf einem Strohhaufen ausgestreckt, als sein Vater den Ziegenstall betrat. Siddiq stürzte sich auf seinen Sohn und zerrte ihn hoch.
»Ich habe dich nicht ins Haus gelassen, damit du deine Tage verschläfst«, brüllte er und schlug Yakub mit der flachen Hand ins Gesicht. »Du bist eine Schande für die ganze Familie! Warum hat Gott mich mit einem solchen Sohn gestraft?«
»Vielleicht bin ich gar nicht dein Sohn.«
Ein harter Schlag traf ihn aufs Schlüsselbein, aber Yakub blieb stehen. »Wer will schon einen Vater wie dich haben?«, schrie er. »Ich will dich nie wiedersehen. Fahr zur Hölle!«
Yakubs Äußerung stachelte Siddiqs Wut weiter an. Er holte mit der Faust aus, um ihm zu zeigen, wer das Sagen hatte, aber dann geschah das Ungeheuerliche: Yakub schlug zurück. Der Hass seines ganzen Lebens entlud sich in einem Ausbruch, der Siddiq von den Füßen riss. Völlig außer sich hieb Yakub auf seinen Vater ein, trat um sich, schrie. Bald wälzten sich die beiden fest umklammert in dem Ziegenstall, ohne dass einer die Oberhand gewann. Schließlich gelang es Siddiq, seinem Sohn den Ellbogen ins Gesicht zu rammen. Der Schmerz war so stark, dass Yakub losließ. Darauf hatte Siddiq nur gewartet. Er sprang auf und trat auf seinen zusammengekrümmt am Boden liegenden Sohn ein, bis sich seine Frau, die fassungslos in der Stalltür erschienen war, über den hilflosen jungen Mann warf.
»Hör auf. Du bringst ihn
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