Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
chinesische Kunstgegenstände in London. Die Summen, die dabei gezahlt worden waren, überstiegen Yakubs Vorstellungsvermögen. Das teuerste Objekt, eine Vase, brachte über eine Million Dollar, und dabei hatte die Vase sogar einen Sprung.
Eine Million Dollar für eine kaputte Vase. Sein Pferd war auch kaputt, aber es hatte Schriftzeichen aus Gold, und echte Jade war ebenfalls sehr teuer, bestimmt war es mindestens so wertvoll wie die Vase. Er hatte von Anfang an geahnt, dass Akhun und seine Freunde ihn betrügen wollten. Ha, wahrscheinlich wurde selbst Akhun betrogen und war zu dämlich, es zu merken.
Je länger Yakub darüber nachdachte, desto überzeugter war er, dass der eingebildete Hehler ebenso übers Ohr gehauen wurde wie er. Selbst Akhun hatte immer noch kein eigenes Auto. Sein Haus war groß und hübsch eingerichtet, aber von echtem Reichtum konnte keine Rede sein.
Yakub faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und verließ das Haus seines Bekannten. Es war noch zu früh für das Treffen, aber er konnte die Konfrontation mit Akhun nicht mehr erwarten. Er würde sich nicht mit einem Trinkgeld abspeisen lassen.
Auf dem riesigen Platz vor der Idkah-Moschee standen nur wenige Menschen in kleinen Gruppen beisammen und unterhielten sich. Das Abendgebet war längst vorbei. Yakub hielt auf die neu angelegten Blumenbeete zu und setzte sich auf eine der Einfassungen. Von hier hatte er einen guten Blick auf das schwach erleuchtete Haupttor der Moschee. Ein kalter Wind wehte über den leeren Platz. Es war erst Anfang Oktober, aber die milden Herbsttage, die auf den heißen Sommer gefolgt waren, brachten schon eine Ahnung des Winters mit sich. Yakub lachte in sich hinein. Bald würde er in einem Land sein, wo es niemals zu heiß oder zu kalt war.
Eine bekannte Gestalt erschien unter der Lampe des Portals. Yakub schlenderte auf Akhun zu.
»Guten Abend, Partner«, sagte er.
»Guten Abend. Schon so früh hier?«
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen.«
»Ist ja egal. Hast du das Kästchen?«
»Ja.«
»Ich treffe dich in zwei Stunden mit dem Geld in Ahmads Teehaus, neben den Drechslern. Kennst du es?«
»Jeder kennt Ahmads Teehaus.«
»Gut. Dann gib mir das Kästchen.«
»Nein, ich behalte es bei mir. Die Figur ist viel mehr wert als viertausend Dollar. Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen. Sag deinem Freund, dass er sie haben kann. Aber ich will hunderttausend.«
Akhun sah ihn an, als sei er verrückt. »Hunderttausend?«, japste er. »Du meinst hunderttausend Yuan?«
»Dollar. Ich meine amerikanische Dollar.«
»Bist du wahnsinnig geworden? So viel zahlen sie dir nie!«
»Dann eben nicht. Ich kann das Jadepferd auch behalten.«
»Ist das dein letztes Wort?«
»Mein allerletztes.«
Akhun musste sich anstrengen, um seine Wut in den Griff zu bekommen. Am liebsten hätte er den anmaßenden Bengel auf der Stelle erwürgt. Nun, dazu würde sich auch später noch Gelegenheit ergeben.
»Geh ins Teehaus, ich werde sehen, was sich machen lässt«, sagte er und drehte sich auf dem Absatz um. Yakub sah ihm hochmütig nach. Er hatte den Spieß umgedreht. Jetzt bestimmte er die Spielregeln.
Yakub kannte sich in Kashgar nicht sonderlich gut aus, aber Ahmads Teehaus war eine Institution. In dem zweistöckigen Haus saßen zu jeder Tages- und Nachtzeit uighurische Männer aller Altersgruppen auf abgewetzten Teppichen und wackeligen Stühlen, tranken ihren Tee und unterhielten sich über Politik und Religion. Das Teehaus war ein sicherer Hafen, in dem sie vor den Unannehmlichkeiten der modernen Welt geschützt waren. Chinesen mieden das alte Gebäude, weil sie spürten, dass sie nicht willkommen waren.
Yakub betrat das Teehaus und nickte flüchtig einem Bekannten zu, bevor er in den oberen Stock stieg. Er hatte kein Bedürfnis nach Gesellschaft und suchte sich eine ruhige Ecke auf dem über die Straße ragenden Balkon. Es würde eine Weile dauern, bis Akhun zurückkehrte. Yakub zog seine Jacke dicht um sich und machte es sich mit einer Kanne heißem Tee und mehreren Kissen bequem.
Gegen halb zwölf ließ sich Akhun auf dem Teppich neben Yakub nieder.
»Mein Geschäftspartner will mit dir reden«, sagte er.
»Hat er das Geld?«
»Er will dich sprechen«, wiederholte Akhun.
»Wenn er das Geld nicht hat, gibt es nichts zu besprechen.«
Yakubs trotziger Ton war zu viel für Akhun. Er packte ihn am Jackenkragen und brachte sein Gesicht dicht vor das des jungen Mannes.
»Wenn du glaubst, dass du mit deiner
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