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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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vorübergehend die Oberhand gewannen und in der Stadt Truppen zur Sicherung der nördlichen Seidenstraße stationierten. Marion hatte noch nie von den Xiongnu gehört und nahm sich vor, im Internet über sie zu recherchieren.
    Sie überflog die nächsten Absätze, bis sie an einer Stelle hängenblieb, die sich mit den Uighuren befasste. Dort hieß es, die Uighuren seien im neunten Jahrhundert in das Tarim-Becken eingewandert und hätten die Städte der Turfan-Oase eingenommen. Diese Tatsache als solche fand Marion nicht sonderlich bemerkenswert, da die Geschichte Xinjiangs aus einer ununterbrochenen Folge von Eroberungen und Vertreibungen zu bestehen schien. Aber es erstaunte sie, dass sich die Uighuren zu dieser Zeit zum Manichäertum bekannten, einer von den Christen und den persischen Anhängern des Zarathustra mit gleicher Inbrunst gehassten und verfolgten Religion. Bald darauf konvertierten die Uighuren zum Buddhismus, der damals vorherrschenden Religion im Tarim-Becken. Für Marion waren die Uighuren bislang untrennbar mit dem Islam verbunden gewesen. Ob Batügül wusste, dass ihre Vorfahren dem buddhistischen Pfad gefolgt waren?
    Erst am Ende des dreizehnten Jahrhunderts wurde Yar-Khoto völlig aufgegeben. Marion grub in ihrem Gedächtnis nach lange vergessenen Geschichtsstunden. Es war die Zeit der mongolischen Eroberungen, also hatten vermutlich die wilden Reiter aus dem Norden die Stadt kurz und klein geschlagen. Hoffentlich hatten sie noch ein paar Häuser übrig gelassen.

    Abgeerntete Felder erstreckten sich zu beiden Seiten der Straße. Krähen flogen auf, als sie vorbeifuhren, und schwangen sich in den stahlblauen Nachmittagshimmel. Es regnete so gut wie nie in der Turfan-Oase, die vollständig von ihren Bewässerungskanälen abhängig war. Das Wasser wurde seit Tausenden von Jahren aus den fünfzig Kilometer entfernten Himmelsbergen hergeleitet und ermöglichte den Anbau von Weintrauben, Melonen und anderen Früchten.
    Auf dem Parkplatz vor der Ruinenstadt bezahlte Marion den Taxifahrer. Er bot ihr an, zu warten, aber sie wollte sich Zeit lassen. Sie vertraute darauf, dass sie mit einer der Reisegruppen, die Yar-Khoto auf ihrem Besichtigungsplan hatten, zurückfahren konnte. Notfalls würde sie die Leute am Kartenschalter bitten, ihr ein Taxi zu rufen. In Asien mochten viele Dinge kompliziert zu organisieren sein, aber am Ende klappte doch alles.
    Sie bezahlte den Eintritt und humpelte eine staubige Rampe zu der dreißig Meter über ihr auf einem Plateau liegenden Stadt hinauf. Das Plateau wurde von zwei Flüssen umarmt, die tiefe Schluchten in den Löss gegraben hatten, so dass die Stadt auf einer leicht zu verteidigenden Halbinsel lag. Was ihr auch nichts genutzt hatte, als die Mongolen sie überfielen, dachte Marion. Aber die hatten vorher geübt und wehrhaftere, reichere Städte in den Boden gestampft: Beijing, Samarkand, Moskau, Bagdad und unzählige mehr.
    Oben angelangt ruhte sich Marion auf einer Mauer aus. Das Laufen an Krücken auf dem unebenen Weg war anstrengend. Überreste von Gebäuden, die aussahen, als seien sie in der Sonne geschmolzen, standen rechts und links der gepflasterten Pfade, die sich in nordöstlicher Richtung zwischen den Ruinen verloren.
    Marion ging zu den Wegweisern neben den Pfaden und folgte dem Schild mit der Aufschrift »Östliches Stadttor«.
    Der Weg führte durch eine Gasse, in der die Häuser – oder zumindest das, was von ihnen übrig geblieben war – dicht an dicht standen. Marion steckte den Kopf durch eines der Fensterlöcher, von denen die Hauswände in unregelmäßigen Abständen durchbrochen waren. Dahinter gab es nichts zu entdecken, die anderen Wände des Gebäudes waren fast vollständig verschwunden, aber sie konnte sich gut vorstellen, dass der Raum einmal mit Waren aus aller Herren Länder vollgestopft gewesen war: Glas aus Europa, Felle aus Russland, Seide aus China, Gewürze aus Indien. Vielleicht hatten die Häuser auch Werkstätten oder Gasthäuser beherbergt oder sogar Bordelle. Nein, dachte sie, keine Bordelle. Die waren bestimmt weiter vorn gewesen, dort, wo die große Soldatenkaserne stand. Hatte es überhaupt Bordelle gegeben? Marion zog den Kopf aus dem Loch. Natürlich hatte es Freudenmädchen gegeben, dachte sie amüsiert. Darauf konnte man sich immer und überall verlassen. Die Oasen waren Häfen im Sandmeer, und wenn die derben Männer mit ihren Wüstenschiffen festmachten, brauchten sie nach ihren langen Märschen dringend ein

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