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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Computerterminals, vor denen etliche europäische und asiatische Touristen saßen.
    Das bebrillte Mädchen führte Marion über den Hof und in einen Gang. Das dreistöckige Gebäude musste sich über mindestens fünfzig Meter in die Tiefe erstrecken. An den ersten Hof schlossen sich noch zwei weitere, mit langen Gängen verbundene Innenhöfe an. Die Höfe waren mit Pflanzkübeln, billigen Porzellanstatuen von taoistischen Göttern und roten Stofflaternen liebevoll dekoriert. In jeder Ecke standen kleine Repliken der Terrakottasoldaten des ersten Kaisers von China, dessen Grab nicht weit von Xi’an zu besichtigen war. Ein Schild mit der Aufschrift »Road West Bar« wies eine Kellertreppe hinab.
    Marion staunte: Sie hatte noch nie eines der wenigen alten Häuser, die erst den Roten Garden und dann den Abrissbirnen der jüngeren Zeit entkommen waren, von innen gesehen. Sie fühlte sich sofort wohl. Dieses wundervoll verschachtelte Haus würde ihr Schutz vor dem Russen bieten, Schutz vor allen, die sich draußen herumtrieben und ihr die kleine Figur stehlen wollten.
    Als sie im letzten Hof ankamen, legte Marion den Kopf in den Nacken und sah ein Quadrat grauen Himmels, eingerahmt von altertümlich anmutenden Dachziegeln. Ein kalter Nieselregen hatte eingesetzt und benetzte ihr Gesicht.
    Im ersten und zweiten Stock liefen Galerien rings um den Hof, deren Geländer von den Gästen der Jugendherberge zum Lüften ihrer Kleidung genutzt wurde. Gerade raffte eine rothaarige Frau ihre Sachen zusammen, um sie vor dem Regen in Sicherheit zu bringen.
    »Jenny!«
    Die Rothaarige stutzte und blickte in den Hof hinunter. Als sie Marion erkannte, ließ sie ihre Sachen fallen und kam mit weit ausgebreiteten Armen die Treppe heruntergepoltert.
    »Wie schön, dass du endlich da bist!«, rief sie und nahm Marion samt ihrer Tasche in den Arm. »Aber was hast du mit deinen Haaren gemacht? Von weitem könnte man dich glatt für eine Chinesin halten.«
    »Eben«, sagte Marion und ließ sich von Jenny die Treppe hinaufziehen.

    Marion trat hinter Jenny in den Raum und sah sich um. Das Zimmer war klein, aber zweckmäßig eingerichtet. Zwei Etagenbetten standen im rechten Winkel zueinander an den Wänden; ein Schreibtisch und ein Schrank mit vier abschließbaren Fächern nahmen die dritte Wand ein. Was brauchte man mehr? Marion begann, ihre Sachen in eines der leeren Fächer zu räumen. Als sie gerade fertig war, kam Greg von einer Besorgung zurück. Sie begrüßten sich wie alte Freunde. Marion freute sich. In den wenigen gemeinsamen Tagen in Turfan hatte sie die Amerikaner sehr schätzen gelernt.
    »Wir haben alle vier Betten bezahlt, damit sie uns nicht irgendeinen Schnarcher ins Zimmer legen«, sagte Greg.
    »In den nächsten Tagen kommt ein Freund von mir nach Xi’an. Er kann das Bett haben«, sagte Marion.
    »Ein Freund? Wer ist es denn?«
    »Mein Ex.«
    »Aaah«, sagte Jenny gedehnt. »Und was will der hier?«
    »Wenn ich das wüsste«, sagte Marion. Sie warf sich ein Handtuch über die Schulter. »Gibt es in der Jugendherberge eine Badewanne?«
    »Nein, nur Gemeinschaftsduschen. Seit wann bist du so verwöhnt?«
    »Nicht für mich. Für den da«, sagte Marion und zeigte auf den Eimer.
    Greg beugte sich über den Eimer. »Eine Schildkröte?«, fragte er verwundert und streckte seine Hand aus. Bruder Tuck fauchte ihn angriffslustig an. Schnell zog Greg die Hand wieder zurück. Kopfschüttelnd griff er Bruder Tucks Behausung am Henkel und sagte zu Marion: »Komm mit.«
    Im Hof zeigte er auf eine große dunkelbraune Keramikschale mit einem Muster aus currygelben chinesischen Glückszeichen.
    »Das sollte ihm gefallen.«
    Marion sah in die wassergefüllte Schale, in der bereits mehrere Goldfische schwammen. Es gab keine Trockenfläche, auf der sich Bruder Tuck ausruhen konnte, aber wenn sie ihn über Nacht wieder in den Eimer setzte, würde es gehen. Sie ließ ihn zu den Goldfischen gleiten, und er drehte erlöst zwei, drei Runden, bevor er abtauchte.
    Marion war zufrieden. »Gib mir eine Viertelstunde«, bat sie Greg, »dann können wir essen gehen.«

    Während des Essens teilte Marion den Amerikanern ihre Befürchtung mit, dass der Spitzel in Kashgar, der ihren Verfolgern ihr Hotel in Turfan verraten hatte, sie auch über die Finte mit den Keksen informiert haben könnte.
    Greg zog hörbar die Luft ein. »Und jetzt?«, fragte er besorgt.
    »Eigentlich dürfte nichts passieren. Ich bin in der Jugendherberge unter falschem Namen

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