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Die verborgene Grotte

Die verborgene Grotte

Titel: Die verborgene Grotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verstand, was damit gemeint war. Er hätte gut daran getan, das herauszufinden, denn in diesem Leben ist nichts umsonst.
     
    Von nun an strömte wunderbare Musik von der Empore herab, voller Leben und Freude. Und obwohl es nicht unbedingt das war, was man in einer Kirche zu hören erwartete, beschwerte sich der Pfarrer nicht. Noch nie zuvor hatte er so üppige Kollekten bekommen.
    Und Mikloz weinte vor Rührung und Hingabe. Je fröhlicher die Musik war, umso mehr weinte er.
    Er stellte seine Notenblätter auf den Ständer, schloss die Augen und ließ die Finger über die Tasten fliegen. Jeden Sonntag war die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt und draußen saß der fremde Mann auf seiner Bank und klopfte mit dem Stock im Takt der Musik.
     
    Nur in den Tagen zwischen den Gottesdiensten wurde Mikloz immer düsterer und verbitterter. Bald wagten die Leute kaum mehr, ihn zu grüßen. In den Augenblicken jedoch, in denen er spielte, lebte er auf, dann bekam seine Haut eine gesunde Farbe und er bewegte sich flink und frei. Und von Woche zu Woche wurde seine Musik fröhlicher.
    Nach einiger Zeit war es, als hörte er zwischen den Sonntagen ganz auf zu leben. Alles fühlte sich so bedeutungslos an. Hoffnungslos. Es erschien ihm völlig sinnlos, an einem Tag aufzustehen, der kein Sonn- oder Feiertag war, an dem kein Gottesdienst bevorstand. Mikloz wurde immer müder.
    Wochen und Monate vergingen, nach dem Sommer kam der Herbst und dann der Winter. Und eines Sonntags, kurz vor Weihnachten, schaffte Mikloz es nicht einmal mehr in die Kirche.
     
    Den ersten Tag zu Hause lag er nur da und starrte an die Decke. Am nächsten Tag kam das Fieber, hohes Fieber. Immer wieder verlor er das Bewusstsein und dazwischen fantasierte er, während ihm der Schweiß die Stirn hinunterrann.
    Da kam der Fremde ein zweites Mal in sein Haus.
    Er klopfte mit dem Gehstock an die Tür, aber er wartete nicht auf Antwort, sondern trat einfach ein.
    ›Ich habe neue Notenblätter bei mir‹, sagte er und legte einen Stapel Papier auf Mikloz’ Brust. ›Falls Sie hier zu Hause ein wenig komponieren möchten. Nun, wenn Sie sich ein wenig besser fühlen, meine ich.‹
    In diesem Augenblick begriff Mikloz, was der Mann in Wahrheit gemeint hatte, als er nichts anderes als seine Freude von ihm verlangt hatte. All die schönen Melodien hatte Mikloz mit seiner Lebensfreude bezahlt. Und nun war seine Brieftasche leer.
     
    ›Liebe Gemeinde. Wir haben uns heute hier versammelt, um von Mikloz Abschied zu nehmen‹, sagte der Pfarrer. ›Ein großartiger Musiker und beliebter Kantor ist von uns gegangen.‹
    Er schluckte schwer, ehe er fortfuhr.
    ›Wir wollen ihn auf die einzig angemessene Art ehren. Entschuldigt mich einen Augenblick, während ich auf die Empore gehe.‹
    Es war ein schwerer Weg für den Pfarrer. Er hatte Mikloz’ Musik wirklich sehr geschätzt und nun wollte er ihm etwas davon zurückgeben.
    ›Das Stück, das ich jetzt spielen werde‹, sagte er und setzte sich an die Orgel, ›ist das letzte, das Mikloz komponiert hat. Er hielt die Noten noch in den Händen, als man ihn fand.‹
    Schon der erste Akkord war so herzzerreißend schön, dass der Pfarrer die Luft anhielt. Die Melodie war so voller Freude, voller Glück, so   … rein. Und doch fühlte er, dass unter der Oberfläche der Musik eine große, schwere Traurigkeit lag, und während er Mikloz’ Totenmesse spielte, liefen ihm Tränen die Wangen hinunter.
    Es war, als müsse er die Noten nicht einmal lesen, seine Finger fanden von selbst den Weg über die Tasten.
    Überzeugt davon, dass die Gemeinde seine Gefühle teilte, warf er einen Blick in den kleinen Spiegel, der dem Kantor dazu diente, die Zeichen und Hinweise des Pfarrers zu sehen. Aber was er nun darin sah, erschütterte ihn.
    Wo er Trauer hörte, vernahm die Gemeinde offenbar nur spritzige, mitreißende Tanzmusik.Sie standen auf den Bänken und tanzten, hüpften und machten Luftsprünge. Schweiß tropfte ihnen von der Stirn. Allein ihre Augen strahlten mitnichten Freude aus, sondern blankes Entsetzen.
    Da wollte der Pfarrer das Spiel abbrechen, aber seine Hände gehorchten ihm nicht. Wie der Wind flogen sie über die Tasten, schneller und immer schneller, und trotzdem konnten sie kaum mit den Notenblättern mithalten, die sich eilig umblätterten.
    Die Leute flehten den Pfarrer an, sein Spiel zu beenden, aber er konnte nicht. Er versuchte, sich nach hinten zu werfen, aber er saß fest wie in einem Schraubstock. Und die

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