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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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als Feierdag. Beim Füeßli uf der Wülle han d' Spinner d'r Anfang g'macht. Un morn oder übermorn gehn sie zum Nägeli.«
    Er stieß die landbekannten Übernamen der großen Mülhauser Fabriken schmetternd heraus. Tiefes Stillschweigen antwortete seiner Eröffnung. Keiner wollte eine Meinung bekennen.
    Nur ein alter, verkommener, rothaariger Mensch am untern Ende des Tisches, mit einem durchlöcherten Strohhut über dem bleichgedunsenen Gesicht, der eine rote Blume an der linken Brust seines übelriechenden Armenröckchens trug, fing an, unsicher und mit fahrigen Bewegungen in die Luft hinein zu plappern, »'s isch awer doch nit racht, so umz'schpringe mit de Noble! Kei Respekt hat's meh in de Welt: es isch e Sünd un e Schand.«
    Schmied-Louis lachte: »Blib numme still, m'r wisse's scho lang: du un d' Noble, ihr fische im nämlige Weiher.«Das sollte eine Anspielung sein auf Groffs Ältesten, wegen seiner Häßlichkeit »Petit-singe« genannt, der einen député in Paris zum Vater hatte. Groff bezog eine kleine Jahresrente von dem Pariser »Gevatter«.
    Der alte vertrunkene Mensch legte den Kopf auf den Tisch und schnüffelte. Sonst war er der Spaßmacher im »Lustigen Bruder«, man gab ihm Wein, seine Cochonnerien zu hören, heute aber war er schon betrunken und traurig. »Jojo, so kann's de Mensche gehn,« wimmerte er. »Siebe Johr bin i im Badische gsi un hab' Thurwiller nie meh gsehn. In dere Zitt un in jedwederem Johr han i d'heim vom Schosefin a Kind bekumme. Neune sin's. Eins oder zwei, däs versteht m'r scho, ça se comprend , awer z'viel isch z'viel.« Und er jammerte laut.
    Drüben sprach man weiter vom Streik.
    »Wohr isch's!« Rosenkranz-Schorsch, ein noch junger, fetter Mensch, rieb sich das glatte Kinn. »Herre tät's allewil gebe.«
    »Wenn's kei Herre tät gebe, was wär d'rno der Papst?«
    Auch der Schneider gab das zu. »Wenn alle wollte Arweitsbluse trage, d'rno war's üs mit unserem métier . Herre un Knecht, so steht's scho im Evangelium.«
    Pfiffer-Schang hatte inzwischen vertraulich den Arm um den schieligen Mathiß geschlungen, er flüsterte mit ihm. Der hob den schwarzen Zeigefinger. »Ketzer sin's awer doch,« sagte er gelehrig. »Un wer d'r katholisch Glauwe net haltet, der isch au wider d'r Kaiser un's Gesetz.« Er wischte sich mit der linken Hand das schmutzige Auge, das tränte, und sah befriedigt um sich.
    »Nur dreimal im Johr mache sie Feiertag,« warf Pfiffer-Schang dazwischen, » merci bien .«
    Das traf. Alle brachen los. »I vergunn's de Herre.« » Nun-dedié , i vergunn's de Herre z' Mülhuse.« »Dene faquins .« »Dene ghört a Krambohl, e ganz wüschter Krambohl.«
    Der Rosenkranz-Schorsch stimmte jetzt bei. » Pour sûr . Die bonne soeurs – mi Kathele wascht ihne jede zweite Woche – jo, die bonne soeurs han gsait, d' Herre in Mülhuse, das sin net emol rachte chrétiens , und drum wird sie unserHerrgott jetz strofe. Un in Stroßburg un im Unterland gibt's au viele von dene, han se g'sait.«
    »Un bi euch« – Pfiffer-Schang sah triumphierend um sich – »jo bi euch hat's au Litt, die d'r rechts Glauwe net han. Die Madam vom Herr Maire zum exemple . Die isch e Welsche un e Luthrische d'rzu. Fi donc !« Er spuckte aus.
    Ein mißbilligendes Schweigen folgte.
    »Ich will man sagen, daß das anders ördentliche Lüt' sind,« schiebt der Fabrikschlosser Tjark Smeding in seinem breiten, langsamen Ostfriesisch dazwischen. Er ist vor zwei Jahren auf der Wanderschaft hier hängen geblieben und an der Schlotterbachschen Fabrik angestellt. Weil er an der rechten Hand nur drei Finger hat, nennt man ihn den Dreier-Tjark.
    » Diavolo! « Ein schöner, verwegener Bursch, der neben Groff an der Tischecke saß, schlug mit der Faust auf den Tisch. » Diavolo! möcht' i dabei sein! O carambolo bello! « Seine weißen Zähne blitzten.
    Der schielige Mathiß begehrt auf: »Jo, ihr Salzbohrlitt, ihr welsch Lump-Chor! Euch kann's net wüscht g'nug zugehe!«
    Und das blasse Schneiderlein hetzt gleichfalls: »Wart' numme, Krambohl, meh als g'nug, wenn dir d'r Förster Rusch emol hinter d' Hasestrickle kummt! Sell gibt e g'salzener Imbs!«
    Der schwarze Carlo, der berüchtigte Wilddieb, lachte mit allen seinen Zähnen.
    »M'r machen au mit beim Krambohl!« Die Stimme des breiten Schmied-Louis klang wie aus einem tiefen, leeren Gewölbe heraus. Alle begeisterten sich daran.
    Pfiffer-Schang schlug ihm auf die Schulter. »Racht hasch, ihr sin' au kei' Hund!«
    »Grad so isch's! D' Herre stecke

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