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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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Mädchen, der kleine gars de Provence zwischen ihnen, junge Dinger aus den Fabriken mit schön frisiertem Haar und hochhackigen Schuhen. Ihre geblümten, fleckigen und zerrissenen Kattunkleidchen sind in der Taille fest zusammengepreßt. Die Paare setzen sich an den kleinen Tisch, den Rosele ihren lieben » piou-pious « freizulassen pflegt.
    Der kleine Provencale von der Zuchthausmauer macht dem Wirtstöchterchen schöne Augen. Er kann kein Deutsch, sie kein Französisch, aber die Sache ist trotzdem beiden sehr klar.
    Überhaupt hat sich die Stimmung sichtlich wieder ins Gemütliche verändert, alle reden durcheinander. Keiner weiß mehr, gegen wen und für was.
    » Têtes de bois sin's alle mitnander!« schimpft Pfiffer-Schang in sich hinein. Auf einmal steht er auf dem Tisch, mitten in einer klebrigen Branntweinlache, zwischen Gläsern und Fäusten. »Ihr Arweiter,« zetert er mit seiner schrillen Stimme, »ihr Arweiter, ihr dischkuriere do so umme un wisse doch gar net, was ihr in dere letschte Zitt für en importance bekumme han. Un daß es numme von euch abhängt, ob's Krieg git oder net.«
    »Krieg? Mit wem? Wer het denn ebbes g'macht?«
    »Isch's wohr, git's Krieg?«
    »Krieg' g'nug git's do im ›Luschtige Bruder‹,« sagt der Schmied-Louis spaßhaft und weist auf die großen Weinkrüge.
    Da fängt der Pfiffer-Schang an zu erzählen: wie die Schwowe, die Prussiens, sich so frech zeigen in letzter Zeit. Und der Bismarck nimmt ganze Mäuler voll.
    »M'r werd's stopfe!« brüllt der Schmied.
    »Jo, stopfe!« schreien die anderen ihm nach.Der Wagner ist still geworden. Eine Ader schwillt auf seiner Stirn, er trinkt in mächtigen Schlucken.
    Père Justin von Sulz, der stattliche Bauer, ist herangekommen, sich den Spektakel genauer zu besehen.
    »Worum,« sagt er bedächtig, »worum kann's net für d' Natione e G'setz gebe, grad' wie für jedwedere particulier ? Wer gibt m'r d' permission , d'rNochber umz'bringe, weil er m'r e Latt vom Zaun bricht, oder weil m'r seine Katz d' Gickele frißt?«
    »Jo, Pfiffedeckel, 's G'setz!« fallt ihm der Schang in die Rede. »Jetz, wenn's Krieg git, isch kei' G'setz meh'! Da können ihr totschlage, wen ihr wolle. Un Lohn bekummen ihr noch d'rzu un Maidle in jedem Kartjeh, Herz, was begehrsch.«
    »Isch das au g'wiß e so?«
    » C'est vrai ? Krieg git's?«
    »Wenn's nur au wohr isch!«
    » Ma foi oui , worum sollt's net wohr si? Pour sûr isch's wohr! Im ›Lion d'or‹ z' Mülhüse han sie's verzählt: kaum daß d'r souspréfet von Kolmar ankummen isch, so het scho' d'r valet d'chambre ihm müsse d'r Revolver putze!«
    » A la bonne heure ! Sie solle numme kumme, d' Prussiens! Dene wolle m'r d'r Weg zeige.«
    »I hätt', verdammi, vor hundert so Schwarzbrotfrasser kei' Angscht.«
    »Im Rhin müsse sie alle versüffe, bi Gott!«
    Und in plötzlicher Begeisterung geht es durch die Versammlung: »Vive l'empereur! Vive la France!«
    »Vive l'empereur!« ruft Pfiffer-Schang dazwischen. Und »Vive l'empereur!« rufen sie ihm unverdrossen nach.
    In der Ecke beim Comptoir, wo die »piou-pious« sitzen, wird es still. »Hörsch, was sie sage? 's gibt Krieg, d' Prussiens kumme. Prussiens puff, puff!«
    Das Rosele machte ihm die Gebärde des Schießens vor.
    Der kleine Soldat lacht. Er nimmt sie zärtlich um die Taille.
    »Les Prussiens – on n'en fera qu'une bouchée, ma belle!« En attendant viens donc m'embrasser!«
    Jo, worum net gar! Du kannsch' warte, bis m'r g'hirote han.«»Wenn's nur au wohr isch mit'm Krieg,« sagt Schmied-Louis bedenklich.
    Der Pfeifer hat ein Papier aus der Tasche gezogen: »Nur fir daß ihr's glauwe tun.« Man sieht das große Zeichen der Präfektur darauf. Mit lauter Stimme liest er vor:
    »Monsieur le Maire, je vous serais obligé de me faire conaître le plus tôt possible quel effet produit la déclaration du Gouvernement à propos des affaires d´Espagne.Veuillez me tenir au courant de l'esprit public.«
    Und auf deutsch erklärt er: »Wisse wolle sie z' Kolmar, was d' Litt hier halte von selle affaires d´Espagne – – un schriewe soll m'r ihne üwer d'r esprit public .«
    »Affaires d´Espagne?« Alle sehen sich verblüfft an. Keiner von ihnen weiß, was er mit dem fremden Wort machen soll.
    »Von wem hasch's, das Schriewes?«
    »Halt g'funden uf d'r Stroß, wo'n'i am Rathüs vorbei g'loffe bin. Eh bien, d'r Tränkele wird's üseg'schmisse han mit'm Speikischtle vom Herr Stadtschreiber.«
    »Uf der Stroß?! J'te crois! Sie geht unterm Deckbett von

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