Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
Vom Netzwerk:
in ihr erwacht für ihn.
    »Mein kleiner Sohn hat sich gefürchtet, als er zum erstenmal beim Mondenschein hier stand,« sagte sie zu Hummel, und es lag in ihrer Stimme ein Ton, als bringe sie ihm mit dieser kleinen intimen Erwähnung ihres Kindes eine Kostbarkeit dar.
    Auch er fühlte es so und sah sie dankbar an.
    Françoise lächelte erwidernd. Und weil sie froh war, nahm sie im Schatten Pierres Hand und strich darüber hin. Pierre nahm die warme Hand und drückte sie. Auch ihm war lastenlos zumute. Er, der alles, was seine Frau anging, begriff, fühlte, daß sie jetzt Hummel wieder gern hätte. Er strich sich seinen Bart. Nun kam ja noch alles in schönste Ordnung. Denn nun erst würde sie ganz fertig sein mit dieser Vergangenheitsgeschichte.
    Und jetzt tat er etwas, das bei einem andern komisch gewirkt hätte. »Wollt ihr euch nicht einmal aussprechen?« sagte er und griff in der Dunkelheit nach beider Händen, wie um sie ineinander zu legen. »Es ist doch so gut, sich einmal auszusprechen.« Damit ließ er die Hände wieder fallen und ging mit Schritten, die auf dem Kiesweg laut knirschten, zum Hause zurück.
    Die beiden standen allein.
    Hummel beeilte sich, keine Stille eintreten zu lassen. »Ich bin so froh, Ihren Herrn Gemahl kennengelernt zu haben.«
    Und Françoise als Antwort darauf: »Wie gut Sie zu unserm Bubi waren.«
    »Sie haben gewiß Kinder sehr gern?« fragte sie nach einem Weilchen.
    »O das – ich habe das eigentlich noch nicht bemerkt. Um die Kinder meiner Nichte kümmere ich mich wohl nicht sehr. Ich weiß kaum, wie sie aussehen. Ich habe immer so wenig Zeit,« fügte er entschuldigend hinzu und fing an zu lachen dabei.
    Auch Françoise lachte.
    Danach sagten sie sich nichts mehr. Aber sie hatten das Gefühl, sich endlich einmal gründlich ausgesprochen zu haben miteinander, so wie Pierre ihnen das aufgetragen hatte.
    Und so war es wirklich. Denn nun wußten sie das einzig Wichtige voneinander, nämlich daß sie versöhnt seien, und daß sie fortan nur Gutes voneinander denken wollten. So kehrten sie denn um und gingen Pierre Füeßli nach ins Haus hinein.
    Als sie im Hausflur standen, kam gerade Meckelens Auto vorgefahren. Es gab ein heiteres Willkommen. Bald läutete der Gong, man ging zu Tisch.
    Es war der alte schwere Eichentisch, die alten schweren, hochlehnigen Stühle, die Hummel sah. Er erkannte sie wieder. Aber eine neue hellere Tapete war da und elektrisches Licht. Viele grüne Pflanzen standen am Fenster, blühende Kamelien, Kakteen, eine Zimmerlinde, die aussah wie durchsonnt. Beim Essen meinte Hummel, die Form des Silberzeugs sei ihm bekannt, und ganz bestimmt erinnerte er sich der Jagdszenen des Porzellans und des alten schönen Schliffmusters der Kristallbowle, die auf dem Eckbüfett stand. Als das Mädchen jetzt den Silberschrank öffnete, erkannte er den alten Duft von Silberputzpulver und Veilchen, der ihm damals entgegenschlug.
    Françoise bot ihm Salat. »Sie müssen die Löffel halten, sie sind etwas schwer.«
    »Wie Ihr Nußknacker damals.«
    Sie lächelten alle beide. Dann sprach man wieder von dem Brand und zählte die Dinge auf, die man nicht hatte retten können. Arvède beklagte namentlich das Schreiblädchen von Frau Balde, das er sehr geliebt hätte. Es habe ausgesehen wie ein Spinett. Innen eine Menge geheimnisvoller Fächer, die immer voller Briefschaften, steckten. Er kannte noch alle Figuren, die darauf standen: die Venus mit ihren Tauben, die Porzellanköpfe, dahinter die große Perlmuttermuschel, auf der die Kreuzigung eingraviert war. Er erzählte, wie er an diesem Schreibtischchen mit Victor Hugo zusammen gestanden und wie sie alle drei das Schriftstück für das Lyzeumverfaßt hatten. »Ja ja, Victor Hugo.« Er sah lächelnd auf Hummel.
    Der wurde rot wie ein Knabe. »Sie müssen mir verzeihen, wenn ich Ihren Schwager beleidigt habe, aber –«
    Arvède schüttelte den Kopf. »Sie haben seine ganze Achtung davongetragen, Herr Geheimrat, und er läßt Sie durch mich um Entschuldigung bitten wegen seiner Bitterkeiten. Die Vergangenheit, Sie begreifen, ist für ihn das rote Tuch, das ihn zu stoßen zwingt. Er liebt sie immer noch ein wenig, seine deutschfreundliche Zeit, aber er ist trotz seiner gespielten Nüchternheit zu sehr Idealist, um das Land zu verleumden, das seiner Meinung nach jetzt ein leidendes ist.«
    »Idealist? Sie drücken das sehr geschickt aus, Herr Baron, und sehr menschenfreundlich. Wirklich sehr geschickt.«
    Vielleicht hätte das

Weitere Kostenlose Bücher