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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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redet?«
    Heinrichs Gesicht war auf einmal ganz in Seligkeit getaucht. Er drückte dem Maire stürmisch beide Hände.
    » Pas si vite, pas si vite, jeune ami , – seien Sie versichert, ich werde mir diesen Prussien erst einmal gründlich besehen, der mir mein Kind wegschleppen möchte.«
    Er winkte mit der Hand und ging zur Tür. Im Ordinationszimmer setzte er sich in seinen Ledersessel und wies Hummel einen Stuhl sich gegenüber an, der Schreibtisch zwischen ihnen.
    »Die Hauptsache ist – sind Sie gesund, junger Mann?«
    »Gesund, ja, das bin ich.«
    Der Alte sah ihn an. Seine guten, schwarzen Augen bekamen etwas unerbittlich Durchdringendes. Aber Hummel blickte ihm offen ins Gesicht.
    »Sososososo!« sagte der Alte befriedigt. Und nun begann er sich über die Vermögenslage des Bewerbers zu unterrichten, über seine Stellung, seine Berufsaussichten. Beide Männer sprachen mit Klarheit, knapp und einfach. Eine herzliche Zuneigung spann sich zwischen ihren trockenen Worten hin und her. Zuletzt sagte der Maire:
    »Sie werden es mir nicht verdenken, mein lieber junger Freund, wenn ich trotzdem eine Trennung jetzt für das einzig Richtige halte. Solange es so kriegerisch aussieht in der Welt und unglücklicherweise just zwischen unsern beiden Nationen, wäre es verbrecherisch, irgendeine derartige Verbindung anzuknüpfen. Ich gestehe Ihnen gern zu, daß ich, die Einwilligung meiner Frau vorausgesetzt, nichts Prinzipielles gegen eine Heirat in späterer Zeit einzuwenden habe. Wie aber dieVerhältnisse jetzt liegen, wird es das beste sein, daß beide Teils sich vorerst für gänzlich frei und ungebunden betrachten. Sie mögen korrespondieren miteinander, sich dadurch besser kennenlernen, und wenn Sie dann später einmal wirklich wiederkommen, so werden wir – ich bin darin der Zustimmung von Madame Balde gewiß – Ihnen nichts mehr in den Weg legen. Ich glaube, daß das loyal gehandelt ist. Und ich hoffe, mein Herr, dasselbe von Ihrer Seite. Versprechen Sie mir, daß Sie keinerlei Versuche machen wollen, hinter unserm Rücken mit Françoise zusammenzutreffen.«
    »Ich verspreche es,« sagte Hummel langsam.
    »Und damit, mein Lieber, lassen Sie unser Verhör zu Ende sein.« Er streckte ihm herzlich die Hand entgegen.
    In diesem Augenblick klopfte man an die Tür, und Tränkele erschien, eine Depesche in der Hand. Der Maire las.
    »Dieu merci!« Er wandte sich zu Hummel. »Ja, mein Freund, das ändert unsere Angelegenheit bedeutend zu Ihren Gunsten. ›Hohenzollern verzichtet auf Königsthron, Frieden gesichert. Bekanntmachung zu Rüstungszwecken zurückziehen. Der Präfekt.‹«
    »Das muß Françoise wissen!« Der Jüngling taumelte hinaus, wie ein Falter, der sich in den Tag stürzt ...
    Als Balde und Hummel hinausgegangen waren, war es eine Weile still geblieben zwischen den beiden Frauen. Um Françoises frischen Mund spielte ein warm-gewisses Lächeln. Frau Balde hatte sich wieder gesetzt.
    »Ein gut und ehrenhaft aussehender junger Mann,« sagte sie, gleichsam als Antwort auf Françoises stumme Frage. Da die Tochter aber auf sie zustürzte, sie dankbar zu umarmen, wehrte sie lächelnd ab: »Kind, Kind, vor allen Dingen muß man sich gründlich erkundigen nach ihm, denn das einzige, was man von ihm weiß, die Verwandtschaft mit diesem prahlerischen Camille Bourdon, genügt doch nicht recht als Empfehlung für ihn, nicht wahr?« Sie strich liebevoll über das Haar der vor ihr Knienden. Françoise legte ihr brennendes Gesicht auf die beiden kühlen Hände der Mutter.
    »Er ist von deiner Kirche, maman .«
    Frau Balde nickte. Auf einmal stand sie auf.
    »Es ist sonderbar,« sagte sie mit einem fast schüchternen Lächeln und ging, sich höher aufrichtend, wie um Mut zu schöpfen, am großen Mitteltisch entlang. »Wirklich, es ist sonderbar. Jetzt, da von diesem Deutschen die Rede ist, daß er meine Tochter haben will, fühle ich mich zum erstenmal hier als Französin. Spürst du denn nicht, wie ich, an ihm die fremde Rasse?« fragte sie lebhaft. »Fürchtest du nicht, du müßtest dich immer übersetzen, wenn du mit ihm zusammen bist? Nicht nur die Worte, dich selbst, dein eigenstes Wesen?«
    Françoise schüttelte lachend den Kopf: »Nein, maman , so ist es mir nicht. Nie hab' ich mich noch jemandem so verwandt gefühlt wie diesem Fremden. Vom ersten Augenblick an.« Sie war tiefrot geworden und barg ihr Gesicht wie ein kleines Mädchen in ihrem Arm.
    »Wir haben bisher nur von Gefühlen geredet,« fing Frau Balde

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