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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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daß Sie möglichst schnell Ihr Vaterland gewinnen.«
    »So ist es,« sagte der schöne Napoléon geziert. Sein parfümierter Henri-Quatre glänzte fettig in der Sonne, er machte mit dem Spazierstöckchen gewagte Kapriolen. Er sowohl wie Blanche sahen bedenklich erhitzt aus.
    »Madame hat schon früh ausgeschlafen?« sagte Hummel. Es klang boshafter als er wollte. Was ging ihn diese Dame an und ihre Liebhaber! Aber Blanche bekam auf einmal das Gesicht einer alten bösen Frau, ihr Kinn streckte sich vor, sie wußte nicht mehr, was sie sagte.
    »Glauben Sie vielleicht, mein Herr, man brauche eine Frau wie mich nicht zu respektieren! O« – sie zog ihren Mund sehr klein – »ich bin nicht die erste beste! Und es gibt noch Männer, die das zu schätzen wissen!« Ihre Augen sprühten. Sie raffte ihre Röcke zusammen. »Vouz venez, mon ami?« Und sie rauschte voran. Monsieur Cerf lüftete gemessen den Hut und folgte ihr mit kleinen, gezierten Schritten.
    Hummel sah ihnen grimmig nach. Über seine strahlende Zuversicht war ein Hauch gegangen. Langsam näherte er sich dem Haus, jeder Schritt eine abergläubische Beschwörung.
    Die alte Louison öffnete ihm in der Haltung einer Marschallin. Er fragte nach Françoise, da sie ihn streng ansah, verbesserte er sich aber und ließ sich »den Damen« melden. Man führte ihn, wie vorgestern, ins Bibliothekzimmer, und man ließ ihn, wie damals, warten. Heute aber besichtigte er nicht Bücher und Bilder, er blickte nur starr zur Tür.
    Endlich traten die Eltern ein, gleich nach ihnen beide Töchter. Man setzte sich und plauderte wie damals, aber es lag etwas Verlegenes über allen, und aus der Art, wie man jede Anspielung auf die gegenwärtige politische Lage unterließ, fühlte Hummel etwas so Absichtliches heraus, daß es ihn tief entmutigte. Ohne daß er es wußte, hefteten seine Augen sich unablässig auf Françoises Gesicht, das bald errötete, bald erblaßte. Aber sie hielt die Lider gesenkt. Nurmit Mühe brachte er die paar notwendigen Höflichkeitsphrasen zusammen. Zuletzt aber schwieg er, beugte den Kopf und hob ihn dann wieder mit einer trotzig bohrenden Bewegung in die Luft hinein. Dieses strenge Zeremoniell, an dem er sich stieß, war ihm unerträglich und beschämend zu dieser Stunde, da es sein Innerstes galt. Er erhob sich, die andern, in der Meinung, er wolle Abschied nehmen, taten dasselbe. Aber Heinrich, die Hände ineinandergepreßt, blieb wortlos vor seinem Sessel stehen, unbeweglich.
    »Ich werde vielleicht genötigt sein, noch heute nach meiner Heimat abzureisen,« sagte er endlich. Seine Stimme klang ihm unangenehm dröhnend und kriegerisch. »Ich kann es aber nicht tun, ohne eine Frage an Fräulein Françoise zu richten und eine Bitte an Sie, Herr und Frau Balde.« Er sah flehend von einem zum andern. Hortense wich leise hinaus, er stand vor den Entscheidenden. Frau Balde hob abwehrend die schmale Hand.
    »Zu früh, zu früh,« sagte Balde aufgeregt, aber diktatorisch. Er rückte sich unruhig am Bücherbrett entlang, an dem er lehnte. »Sie haben alle unsere Sympathien, das ist wahr, aber trotzdem wäre es eine Übereilung, wenn man – – «
    Frau Balde stand sehr grade neben ihrer Tochter. »Monsieur Balde hat recht,« sagte sie gütig, doch bestimmt. »Es ist noch zu früh, sich über Dinge zu unterhalten, die nur erst in der Phantasie zweier junger Kinder existieren.«
    »Denkt Fräulein Balde ebenso?« fragte Heinrich mit derselben starr schmetternden Stimme, die er verwünschte.
    Françoise sah auf. Sie tat nichts anderes als das, aber es lag Lächeln und Zuversicht in ihren Augen.
    »Wir haben unser Kind nicht befragen mögen,« antwortete die Mutter an ihrer Stelle.
    »Aber ich reise ab, Frau Balde!« Das klang so verzweifelt, daß der Maire sich nicht langer zurückhalten konnte, er trat vollends zu Hummel heran und faßte ihn tröstend bei den Schultern. Dabei mußte er sich hochrecken, so daß es aussah wie ein Umhalsen.»Ja, reisen Sie!« sagte er dabei freundlich. »Tun Sie das. Das ist das richtigste. Denn, Monsieur, was immer das Resultat einer Unterredung zwischen uns sein könnte, etwas Endgültiges dürfen heute weder Sie noch wir beschließen.«
    »Nichts Endgültiges!« Hummel hörte nur die Hoffnung heraus. »Aber diese Unterredung erlauben Sie mir also?«
    » Mais voyons , was bleibt mir anderes übrig, als Sie zu bitten, mit mir in mein Ordinationszimmer herüberzukommen, damit man ein paar vernünftige Worte miteinander

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