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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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auf der Couch.
    Sie schreckte hoch, als es draußen plötzlich laut hupte. Simon war schon auf den Beinen. Zusammen eilten sie aus dem Haus. Ein chromglänzender Lieferwagen stand vor dem Zaun und der Mann, der ausstieg, stellte sich als Robert Hoskins von der Schädlingsbe kämpfung in Ely vor.
    »Ist das die Temoke Ranch?«
    »Ja.« Simon nickte.
    Sie erfuhren, dass Ada vor ein paar Tagen mit Hoskins telefoniert und ihn gebeten hatte, etwas gegen die Grillen zu tun, die immer zahlreicher und fetter wurden und inzwischen auch ihren Gemüse garten bedrohten.
    »Wir fliegen nächste Woche Mittwoch und sprühen Gift«, sagte er.
    »Ja, k-k-klar.« Simon nickte wieder.
    »Wäre besser, ihr lasst die Fenster geschlossen, okay?« Der Mann warf einen Blick auf die mit Plastikfolie bespannten Fenster und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Machen wir«, sagte Julia, die Hände in den Hüften.
    Bevor Hoskins wieder in seinen Lieferwagen stieg, musterte er Si mon eindringlich. Die schiefe Nase schimmerte immer noch grün lich gelb von Jasons Fausthieb. Auch die Blutergüsse unter den Au gen hatten sich grün verfärbt. »Hattest du einen Zusammenstoß mit einem Traktor, Junge?«, fragte der Mann.
    Julia merkte, dass Simon versuchte locker zu sein. »So w-as Ähnli ches.«
    »Na, was es auch war, dein Hirn scheint es jedenfalls ziemlich durcheinandergeschüttelt zu haben.«
    Simon schwieg missmutig und wartete, bis der Mann vom Platz gefahren war.
    »Will Granny wirklich, dass sie Gift sprühen?«, fragte Julia.
    »Sieht ganz so aus.«
    »Aber schadet das den Tieren nicht?«
    Simon zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Deine Granny hasst die Grillen wie die Pest.«
    »Aber so viele sind doch gar nicht da.«
    »Noch nicht. Aber sie werden kommen. Letztes Jahr k-amen sie auch.«
    In diesem Augenblick tat es im Haus einen fürchterlichen Schlag, es schepperte und krachte. Sekundenlang starrten sie einander er schrocken an, dann rannten sie nach drinnen.
    Tommy kauerte im Wohnzimmer auf dem Boden, genau dort, wo er auch gewesen war, als sie das Haus verlassen hatten. Er schaukel te schweigend und war völlig unversehrt. Julia wollte schon aufat men, als sie bemerkte, wie Simons Blick in die Küche wanderte.
    Tisch und Stühle lagen umgestürzt auf dem Boden. Dazwischen Töpfe, Pfannen und zerbrochenes Geschirr. Es sah aus, als hätte ei ne Bombe eingeschlagen. Um den ganzen Schaden anzurichten, hatte Tommy keine fünf Minuten gebraucht.
    Mit offenem Mund starrte Julia auf das Chaos. »Aber wie kann er in so kurzer Zeit . . .« Sie sprach nicht weiter.
    »Er ist schnell und unglaublich kräftig«, sagte Simon. »Und er macht das nicht zum ersten Mal.«
    Julia wandte sich zu ihrem Cousin um, der friedlich auf dem Bo den hockte und so tat, als könne er kein Wässerchen trüben. »Ma bah-a-ah.«
    Simon hob einen Stuhl auf und setzte sich darauf. »Das ist nun mal Tommys Art, seiner Angst und seiner Wut Ausdruck zu verleihen.«
    Gemeinsam begannen sie, das Chaos zu beseitigen. Nachdem die Küche wieder einigermaßen manierlich aussah, hockten sich Simon und Julia erschöpft vor den Fernseher und verfolgten die Berichter stattung vom Testgelände. Das Bild war unscharf, aber sie sahen ei ne bunte Menschenmenge mit Plakaten und Spruchbändern auf ei ner einsamen Straße durch die Wüste laufen. »Eure Welt wird an ders sein«, stand in großen Buchstaben auf einem Spruchband ge schrieben. Laut Reporter marschierten mehrere Hundert Demonst ranten zum Testgelände, um gegen die Politik der Regierung zu protestieren
    Ada kam ins Bild. »Ich bin hier, weil ich meine Landrechte verteidi ge«, hörte man sie ins Mikrofon rufen.
    Julia hielt Ausschau nach ihrem Großvater. Falls ihre Mutter auch vor dem Fernseher sitzen sollte und Boyd entdeckte, würde in we nigen Minuten das Telefon klingeln. Aber der alte Mann war nir gendwo zu sehen.
    Einerseits bewunderte Julia ihre Granny, deren Mut und unerschüt terlichen Kampfgeist für eine gute Sache. Aber hier, in ihrem eigenen Zuhause, wurde sie auch gebraucht. Zumindest von Tommy.
    Warum, so fragte sie sich, konnte nichts klar und eindeutig sein, ohne Wenn und Aber? Die Großmutter eine strahlende Heldin, ihr Vater tot, aber vollkommen. Cousin Tommy ein unberechenbares Monster, die Mutter entbehrlich, der Halbbruder ein drogensüchti ger Idiot. Aber so war es nicht. Nicht wirklich. Immer gab es noch die andere, die verborgene Seite. Wie beim Mond oder dem blauen Stein. Nur Simon schien keine

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