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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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aufrichteten.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte sie, innerlich zitternd. »Ich dachte, du bist mit den anderen im Camp am Testgelände?«
    »War ich auch.« Großspurig erzählte Jason ihnen vom Friedens camp und dem Protestmarsch, von einem riesigen Polizeiaufgebot und dass einige Leute verhaftet worden waren. Darunter auch Ada, Boyd und Veola, seine Mutter.
    Julia überlegte fieberhaft. Ada hatte ihr gesagt, dass man mindes tens fünf Stunden brauchte, um von Eldora Valley nach Las Vegas zu kommen. Jason konnte gar nicht beim Protestmarsch gewesen sein, es sei denn, er hätte Flügel. Aber sie sagte nichts, um ihren Bruder nicht zu provozieren. Dass ihre Großeltern verhaftet worden wa ren, entsprach vielleicht der Wahrheit und der Gedanke daran ließ sie erzittern.
    Tommy, der wegen des Hubschraubergeknatters bislang starr vor Schreck in seinem Pick-up gesessen hatte, stieß ein wütendes Gur geln aus, als er Jasons Stimme hörte. Er begann zu röhren und mit der Hand gegen das Türblech zu schlagen. »M-ah-ba-bah.«
    Julia zuckte zusammen.
    »Halt’s Maul, du Idiot«, zischte Jason. Er begann, auf den drei Me tern zwischen seinem Wagen und Tommys Pick-up hin und her zu laufen. »Granny und Grandpa sitzen im Knast«, wandte er sich er neut an Simon und Julia, »und diesmal kommen sie vielleicht nicht so schnell wieder heraus.«
    Keine Ahnung, worauf ihr Bruder hinauswollte, aber auf einmal sammelte sich eine kalte Schwere in Julias Magen. Inzwischen wuss te sie, was sich hinter Jasons Gehabe verbarg und das machte ihr Angst. Eine schreckliche Ahnung beschlich sie.
    »Solange sie nicht da sind, bin ich für die Ranch verantwortlich.« Ja-son streckte sich. »Und damit ihr klarseht: Es wird sich hier einiges ändern.«
    Julia beobachtete Simon. Er stand angespannt da und wartete. Sie wusste, dass er auf alles gefasst war.
    »U-nd das wäre?«, fragte er.
    »Kannst du dir das nicht denken?«, brauste Jason auf und riss die Arme in die Höhe. »Du hast einen Tag Zeit, dich hier vom Acker zu machen, Romeo. Pack deine verdammten Sachen und verschwinde dorthin, wo du hergekommen bist.«
    Simon wurde bleich. Julia spürte, dass er Mühe hatte, sich die Pa nik, die ihn erfasste, nicht anmerken zu lassen.
    Jason wies auf die Berge. »Der Hubschrauber war vom BLM, wie du ganz richtig erkannt hast. Sie zählen die Rinder und die Pferde und bald wird es ein neues Round-up geben. Es ist vorbei, Romeo. Game over . Kapiert?«
    Julia warf Simon einen kurzen Blick zu und sah, dass er trotz der großen Hitze am ganzen Leib zitterte. Unterdessen schwoll Tom mys Stöhnen an. Es steigerte sich zu einem dumpfen Grollen und die Abstände zwischen seinen aufgeregten, fast wütenden Schlägen wurden immer kürzer.
    »Sei endlich still, du verschissener Freak«, schrie Jason.
    Aus der Kälte in Julias Magen wurde ein Eisklumpen. Ihr Herz schlug wild gegen die Rippen. Sie sah, dass Simon sich wie in Zeitlu pe auf Jason zubewegte.
    »Und wer kümmert sich um Tommy?«, fragte sie hastig.
    »Das kannst du übernehmen, Schwesterherz, wenn du schon ein mal da bist. Du hast ja jetzt Erfahrung mit Verrückten und Krüppeln.«
    Julia sah, wie Simon seine Hände zu Fäusten ballte. Jason würde ihn gnadenlos davonjagen und weder sie noch er konnte etwas da gegen tun.
    Tommys Schläge, sein Röhren und Zetern wurden unerträglich. Ja-son lief wie ein getriebenes Tier auf ihn zu und schlug mit der Faust gegen das Türblech. »Halt endlich dein blödes Maul oder . . .«
    Urplötzlich schoss Tommys kleine braune Hand durch das offene Fenster des Pick-ups, packte Jasons linken Arm und umschloss ihn wie eine Eisenklammer. Im selben Augenblick holte Jason aus und schlug seinem behinderten Cousin die rechte Faust ins Gesicht.
    Tommy kreischte auf, ließ ihn los und presste die Hände an seinen Kopf. Noch ehe Julia überhaupt begriffen hatte, was passiert war, hörte sie ein tiefes Aufheulen und sah Simon im Hechtsprung auf Ja-son zufliegen. Die Wucht des Aufpralls warf ihren Bruder zu Boden und gleich darauf rollten sich beide ächzend im Staub.
    Fassungslos und wie gelähmt starrte Julia auf die Raufenden. Sie hatte noch nie echte Gewalt erlebt, hatte so etwas bisher nur im Fernsehen oder im Kino gesehen. Als es jetzt vor ihren Augen pas sierte, spürte sie die Wucht der Brutalität und des Hasses beinahe körperlich. Jason und Simon gingen aufeinander los, als wollte einer den anderen umbringen. Simon war kleiner als ihr Bruder und schmächtiger, aber

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