Die verborgene Seite des Mondes
um Jahre altern. Jason nimmt das Zeug schon eine Weile, hat Frank gesagt.«
»Woher kennst du dich eigentlich so gut aus damit?«, fragte Ju lia.
Simon zögerte und sah sie lange an. Er wusste nicht, wie viel er ihr zumuten konnte, und wappnete sich für den Ausdruck, den ihr Ge sicht gleich annehmen würde.
»Weil ich es selber mal eine Zeit lang genommen habe.«
Da war sie, die Panik, die plötzlich Julias Augen verdunkelte. Das hatte sie nicht vermutet und es brauchte ein Weile, bis sie seine Of fenbarung verdaut hatte.
Simons Daumen drückte auf Julias Handteller herum. Er erzählte ihr, dass er eine Zeit lang Drogen genommen hatte, um das Loch zu schließen, das in seinem Inneren war. Dieses Loch an der Stelle, wo eigentlich Vertrauen, Liebe und Zuversicht sitzen sollten.
»Aber dann habe ich gemerkt, dass ich vieles überhaupt nicht mehr richtig wahrnahm. Dafür habe ich Dinge gesehen, die gar nicht da waren. Das war beängstigend. Vieles entgeht einem, wenn man auf Droge ist. Die kleinen Dinge, die wirklich schön sind. Ich
wollte sie sehen, verstehst du?«
»Hast du je . . . ich meine, hast du das Zeug gespritzt?«
»Nein, nie.« Zum Beweis zeigte er ihr seine Armbeugen. »Ich hab immer bloß geraucht. Und seit ich hier bin, auf der Ranch, habe ich keine Drogen und keinen Alkohol mehr angerührt.«
Simons dunkle Seite, dachte Julia bestürzt. Doch wenigstens hatte er den Mut besessen, es ihr zu sagen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn an. In Simons Augen sah sie die Bitte, ihn we gen dieser Dinge nicht zu verurteilen. Julia hatte keine Vorstellung davon, wie es war, wenn man nie Ermutigung erfahren hatte als Kind, von niemandem. Sie dachte, dass jeder wenigstens einen Menschen verdient hat, der für ihn da ist. Simon hatte niemanden gehabt.
Schließlich machte sie einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn. Er stammelte etwas und sie küsste ihn noch einmal.
»Was bedeutet das?«, fragte er leise.
»Man nennt es Liebe«, sagte sie.
Simon schloss die Augen und legte seine Stirn an ihre. Sein Mund flüsterte etwas in ihren Mund. Ein Kuss von ihm, so leicht, dass sie ihn fast nicht spürte.
»Wir müssen herausbekommen, ob Jason recht hat und deine Großeltern verhaftet worden sind.«
Sie rückte ein Stück von Simon ab und sah ihm in die Augen. »Wenn es stimmt, was er sagt, was willst du dann tun?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich fürchte, wir müssen auf alles gefasst sein.«
Sie hockten sich vor den Fernseher und versuchten, etwas über die Verhaftungen am Testgelände zu erfahren. Aber wegen des hef tigen Windes, der immer noch über die Ebene wehte, war das Bild krisselig und sie konnten kaum etwas verstehen.
Julia hatte Angst vor der Nacht. Sie fürchtete, Jason könnte mit Verstärkung zurückkommen und seine Drohung wahr machen.
»Geh schlafen«, sagte Simon zu ihr. »Tommy ist ruhig, zumindest im Augenblick.«
»Ich habe Angst, Simon. Jason hat gesagt, er will dich umbringen.«
Simon saß mit gesenktem Kopf auf der Armlehne des Sessels, die herabhängenden Haare fielen ihm über die Augen.
»Du bist gar nicht überrascht«, bemerkte Julia.
»Damit hat er mir schon gedroht, als er mich bei Frank erwischt hat.«
»Und du hast nichts gesagt?«
»Wem sollte ich es sagen? Dir? Du wärst doch damit sofort zu dei ner Großmutter gerannt?«
»Sie hätte uns nicht allein gelassen, wenn sie das gewusst hätte«, erwiderte Julia wütend.
»Sie hat uns nicht alleine gelassen. Nur, dass Frank nicht gekom men ist. So laufen die Dinge hier nun mal, verstehst du?«
»Ich habe das Gefühl, überhaupt nichts mehr zu verstehen. Wieso ist nicht wenigstens Grandpa hiergeblieben? Er ist doch sonst nicht wild aufs Kämpfen?«
»Er wollte bei ihr sein. Sie hat Angst vor dem Gefängnis.«
»Aber wieso tut sie das dann? Wieso bleibt sie nicht hier, wo ihre Gegner sozusagen vor der Haustür stehen? Man kann nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Simon. »Aber Ada hat sich nie nur um das gesorgt, was vor ihrer Haustür passiert. Sie leidet, wenn die Erde wund ist, egal wo.«
Julia schüttelte den Kopf. »Das ist zu . . .« Sie suchte nach einem passenden Wort.
»Zu groß?«, fragte er.
Sie nickte. Dann ging sie in die Kammer ihrer Großeltern und legte sich aufs Bett. Tommy wimmerte leise im Schlaf, aber das hörte sie kaum. Müdigkeit und Erschöpfung überwältigten Julia und sie fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Es war
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