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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Der Schmerz verzerrte ihre Worte. Mein Körper war schon schwarz verkohlt, als ich endlich verstand, dass sie immer wieder beteuerte, wie sehr sie mich liebte. Das war noch schlimmer als ihr Klagen.
    Am ganzen Körper glühend und schweißgebadet wachte ich auf.

17.
    Z wei Wochen lag ich mit einer Mastitis im Krankenhaus. Als die Feuerwehr mich fand, hatte ich vierzig Grad Fieber. Meine Temperatur sank erst, nachdem man mir drei Tage Antibiotika intravenös verabreicht hatte, was die Ärzte, wie sie mir während meiner Genesung mitteilten, so noch nie zuvor erlebt hatten. Mastitis käme bei stillenden Müttern häufig vor, sei zwar schmerzhaft, aber örtlich begrenzt und leicht zu behandeln. Bei mir jedoch habe sich die Entzündung nahezu im ganzen Körper ausgebreitet. Meine Haut schuppte sich und begann, sich zu schälen, und zwar nicht nur an den Brüsten, sondern auch an den Armen, am Hals und an den Innenseiten der Oberschenkel. Die Ärzte meinten, ein Fall wie meiner käme in der Literatur nicht vor. Als das Fieber nachließ, ersetzte die Sehnsucht nach meiner Tochter das körperliche Brennen. Mein Gesicht, meine Brust und meine Gliedmaßen glühten vor Verlangen. Ich fürchtete die Fragen der Ärzte angesichts einer jungen Mutter, die ohne Baby und ohne Besucher allein im Krankenhaus lag. Daher floh ich, bevor ich entlassen wurde, indem ich mir selbst die Infusion rauszog und mich über die Hintertreppe davonschlich.
    Ich fuhr mit dem Taxi in die leere Wohnung und holte einen Schlosser, der die Schlösser austauschte. Wenn Natalya wiederkam, würde ich ihr einen Schlüssel nachmachen. Bis dahin wollte ich verhindern, dass Mutter Rubina oder Renata, die sich beide angewöhnt hatten, ohne anzuklopfen hereinzuspazieren, mich besuchten, um sich das Baby anzuschauen. Ich hatte nicht die Kraft, ihnen meine Tat zu beichten.
    Mutter Rubina erschien noch am selben Nachmittag. Sie klopfte, bis ich sicher war, dass die Glastüren zerbrechen würden.
    Ich spähte zwar aus Natalyas Zimmerfenster, ging jedoch nicht hinunter. Am Abend folgte Renata, die noch lauter an die Tür hämmerte und dann einen kleinen Stein gegen das Fenster im oberen Stockwerk warf. Ich gab nicht zu erkennen, dass ich wieder zu Hause war. Am nächsten Morgen weckte mich an anderes, leiseres Pochen aus einem tiefen Schlaf, und ich wusste, dass es Marlena sein musste.
    Es war Zeit, mich wieder an die Arbeit zu machen. Ich würde ihr die Wahrheit sagen.
    Also stolperte ich die Treppe hinunter und blinzelte ins grelle Licht. Marlena stürmte zur Tür hinein. »Sie muss inzwischen riesig sein!«, rief sie aus. »Wie heißt sie?« Marlena lief die Treppe hinauf. Ich folgte ihr langsam. Als ich oben ankam, drehte Marlena sich im Wohnzimmer um die eigene Achse. Allmählich dämmerte ihr, dass die Wohnung leer war. Sie sah mich an. Eine einzige Frage stand in ihrem Blick.
    »Ich weiß nicht«, beantwortete ich ihre ausgesprochene, nicht jedoch ihre stumme Frage. »Ihren Namen. Ich habe ihr keinen gegeben.« Marlenas Blick blieb weiter starr auf mich gerichtet. Die Frage stand immer noch im Raum:
Wo ist sie?
    Ich brach in Tränen aus. Marlena kam auf mich zu und legte mir sanft die Hand auf die Schulter. Ich wollte es ihr erzählen. Sie sollte erfahren, dass das Baby in Sicherheit und vielleicht sogar glücklich war und geliebt wurde.
    Minuten vergingen, ehe ich sprechen konnte, und als ich es tat, schilderte ich ihr die Lage in schlichten Worten und ohne etwas auszuschmücken. Ich hätte sie zu ihrem Vater gebracht, der sie großziehen würde. Ich sei nicht in der Lage, die Mutter zu sein, die ich sein wolle. Der Verlust habe mich zwar schwer getroffen, doch es sei für meine Tochter die beste Entscheidung gewesen.
    »Bitte«, fügte ich hinzu, als ich fertig war. »Lass uns nicht mehr über sie reden.«
    Ich durchquerte das Zimmer, um Papiertaschentücher und meinen Terminkalender zu holen. Dann kritzelte ich eine kurze Liste auf ein liniertes Blatt Papier und drückte es Marlena mit genügend Bargeld für den Einkauf in die Hand. »Wir sehen uns morgen«, meinte ich. Ich wartete nicht, bis sie fort war, sondern kroch in mein blaues Zimmer und schloss ab.
    Die ausgesprochene Wahrheit wiegte mich in den Schlaf.
     
    Am nächsten Morgen wurde ich nicht von Marlenas leisem Klopfen, sondern von Renatas nachdrücklichem Hämmern geweckt. Obwohl ich mir das Kissen über den Kopf zog, durchdrang ihre Stimme sogar die Daunen.
    »Ich gehe nicht weg, Victoria«,

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