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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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nur eine Definition, eine Bedeutung gibt. Rosmarin steht zum Beispiel für …«
    »Erinnern«, sagte ich. »Von Shakespeare, wer auch immer das ist.«
    »Ja«, entgegnete Elizabeth mit überraschter Miene. »Und Akelei …«
    »Im Stich lassen.«
    »Stechpalme?«
    »Voraussicht.«
    »Lavendel?«
    »Argwohn.«
    Elizabeth legte die Gartengeräte weg, zog die Handschuhe aus und kniete sich neben mich. Ihr Blick war so durchdringend, dass ich mich zurücklehnte, bis der Liegestuhl ins Kippen geriet. Elizabeths Hand fuhr nach vorne und hielt mich am Knöchel fest.
    »Warum hat Meredith behauptet, dass du lernbehindert bist?«, erkundigte sie sich.
    »Weil es stimmt«, erwiderte ich.
    Sie packte mich am Kinn und drehte mein Gesicht herum, so dass sie mir in die Augen schauen konnte.
    »Es stimmt nicht«, stellte sie fest. »Vier Jahre Grundschule, und du kannst noch immer kein einfaches Diktat schreiben. Meredith hat mich gewarnt. Sie meinte, wenn du weiterhin auf der Regelschule nicht mitkämst, würde sie dich in eine Förderschule schicken.«
    In vier Jahren hatte ich sowohl die erste als auch die zweite Klasse wiederholt. Ich täuschte meine Unfähigkeit nicht vor, es hatte mich nur nie jemand gefragt, was ich wusste. Nach dem ersten Schuljahr galt ich als so hochgradig verstockt und aggressiv, dass man mir in jeder Schulklasse die Außenseiterrolle zuwies. Stapel von fotokopierten Arbeitsblättern brachten mir Buchstaben, Zahlen und einfache Rechenaufgaben bei. Das Lesen lernte ich mit Hilfe der Bilderbücher, die ich meinen Mitschülern aus dem Tornister stibitzte oder aus der Klassenbücherei stahl.
    Einmal hatte ich mich einen Monat lang in der Hoffnung gewiegt, dass die Schule auch anders sein könnte. Als ich am ersten Tag an meinem winzigen, ordentlich aufgereihten Pult saß, bemerkte ich, dass sich zwischen mir und den übrigen Kindern kein sichtbarer Abgrund auftat. Ms. Ellis, meine Klassenlehrerin, sprach meinen Namen sanft und mit Betonung auf der mittleren Silbe aus und behandelte mich wie alle anderen auch. Sie setzte mich neben ein Mädchen, das noch kleiner war als ich. Ihre mageren Handgelenke streiften meine, wenn wir in Zweierreihen vom Klassenzimmer in den Pausenhof und wieder zurückgingen. Ms. Ellis fand außerdem, dass das Gehirn Nahrung brauchte. Täglich nach der Pause stellte sie einen Becher mit einer Sardine darin auf jedes Pult. Wenn die Sardine aufgegessen war, mussten wir den Becher umdrehen und nachschauen, was für ein Buchstabe auf dem Boden stand. Wer den Buchstaben benennen und aussprechen konnte und ein Wort kannte, das damit anfing, bekam eine zweite Sardine. Schon in der ersten Woche prägte ich mir alle Buchstaben und Ausspracheregeln ein und sicherte mir so die zweite Sardine.
    Doch nach fünf Wochen in dieser Schule brachte Meredith mich bei einer neuen Familie in einem anderen Vorort unter. Der bloße Gedanke an den glitschigen Fisch versetzte mich nun in Wut. Mein Zorn kippte Pulte um, zerschnitt Vorhänge und stahl Pausenbrote. Ich wurde vom Unterricht ausgeschlossen, kam in die nächste Familie und wurde abermals ausgeschlossen. Als jenes erste Schuljahr zu Ende ging, galt die allgemeine Aufmerksamkeit nur noch meinen gewalttätigen Ausbrüchen, während meine Schulbildung in Vergessenheit geriet.
    Elizabeth drückte mir die Wangen zusammen. Ihr Blick forderte eine Antwort.
    »Ich kann lesen«, sagte ich.
    Elizabeth starrte mir weiter in die Augen, als wolle sie jede Lüge zutage fördern, die ich je von mir gegeben hatte. Ich schloss die Augen, bis sie mich losließ.
    »Nun, das ist schön zu wissen«, meinte sie. Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder der Gartenarbeit zu und zog ihre Handschuhe an, bevor sie die von mir entwurzelten Pflanzen in flachen Gruben versenkte. Ich beobachtete, wie Elizabeth die oberste Erdschicht ersetzte und rings um jeden Stamm sanft festklopfte. Als sie fertig war, schaute sie auf. »Ich habe Perla eingeladen, um mit dir zu spielen. Ich muss mich ausruhen, und für dich wäre es gut, wenn du eine Freundin fändest, bevor morgen die Schule beginnt.«
    »Perla wird nie meine Freundin sein«, entgegnete ich.
    »Du kennst Perla doch gar nicht!«, seufzte Elizabeth auf. »Woher willst du dann wissen, ob sie deine Freundin wird oder nicht?«
    Ich wusste es deshalb, weil ich in neun Jahren noch nie eine Freundin gehabt hatte. Das hatte Meredith Elizabeth doch sicher erzählt. Sie sagte es nämlich all meinen Pflegemüttern. Die warnten daraufhin

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