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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Violett, Rosa und Gelb bekommen. Die Blumen hielt ich so, dass meine Mütze dort endete, wo die Blüten anfingen; mein Gesicht war völlig verborgen.
    Als seine Hände sich um die Enden der Stengel schlossen, berührten sich unsere Finger. Seine Haut hatte die Temperatur des frühmorgendlichen Novemberhimmels. Kurz hatte ich das Bedürfnis, sie zu wärmen. Nicht mit meinen Händen, die genauso kalt waren, sondern mit meiner Mütze oder meinen Socken, etwas, das ich zurücklassen konnte. Er zog die Blumen weg, bis ich ungeschützt seinen Blicken ausgesetzt war. Meine Wangen glühten rosig. Rasch ging ich davon.
    Renata erwartete mich aufgelöst und hektisch an der Tür. Sie musste wieder eine große Hochzeit beliefern; die Braut hatte Hollywoodallüren und traktierte sie mit übertriebenen Forderungen. Sie hatte Renata eine ellenlange Liste von Blumen mitgegeben, die sie mochte beziehungsweise ablehnte. Hinzu kamen Farbmuster und genaue Durchmesserangaben in Zentimetern. Renata zerriss die Liste in zwei Hälften und reichte mir eine, zusammen mit einem Geldkuvert.
    »Bezahl bloß nicht den vollen Preis!«, rief sie mir nach, als ich loslief. »Sag, dass sie für mich sind.«
     
    Am nächsten Tag schickte Renata mich allein zum Blumenmarkt. Bis fünf Uhr hatten wir für eine um sechs Uhr angesetzte Hochzeit Blumen arrangiert und Sträuße gebunden, bis sie, völlig erschöpft, beschlossen hatte, einmal so richtig auszuschlafen. Inzwischen war der Laden auch sonntags geöffnet. Renata hatte ein neues Schild gemalt und allen Stammkunden mitgeteilt, dass ich da sein würde. Sie drückte mir Geld, ihren Großmarktausweis und einen Schlüssel in die Hand. Nachdem sie ihre Privatnummer mit Klebestreifen an der Kasse befestigt hatte, wies sie mich an, sie unter gar keinen Umständen zu stören.
    Als ich am Blumenmarkt eintraf, war es noch dunkel, so dass ich beinahe nicht bemerkt hätte, dass er rechts neben dem Eingang stand. Er rührte sich nicht, hatte keine Blumen bei sich und hielt den Kopf gesenkt. Doch seine Augen waren abwartend nach vorne gewandt. Den Blick auf die Klinke gerichtet, marschierte ich zielstrebig zur Tür. Obwohl es drinnen laut und geschäftig zuging, herrschte draußen beinahe Totenstille. Als ich an ihm vorbeiging, hob er die Hand und hielt mir eine von einem gelben Band zusammengebundene Papierrolle hin. Ich nahm sie, ohne stehen zu bleiben, wie ein Staffelläufer die Stafette und öffnete die Tür. Lautes Stimmengewirr schlug mir entgegen. Ich schaute mich noch einmal schnell um. Er war fort.
    Sein Stand war menschenleer. Ich kauerte mich hinter den weißen Holzverschlag, knotete das Band auf und entrollte das Papier. Es war offenbar alt, vergilbt und brüchig an den Ecken und ließ sich nicht glatt streichen. Also fixierte ich die beiden unteren Ecken mit den großen Zehen, die oberen mit den Daumen.
    Auf der Seite befand sich eine verblasste Bleistiftzeichnung, die keine Blume, sondern einen Baumstamm mit rauher, abblätternder Rinde darstellte. Ich fuhr mit dem Finger über die Rinde, und obwohl das Papier glatt war, war die Zeichnung so naturgetreu, dass ich die knorrigen Knoten beinahe fühlen konnte. Am rechten unteren Rand stand in geschwungener Schrift das Wort
Silberpappel
.
    Silberpappel. Die Bedeutung dieser Pflanze kannte ich nicht. Ich nahm den Rucksack ab und holte mein Blumenlexikon heraus. Zuerst sah ich unter S, dann unter P nach, doch es waren weder Pappeln noch Silberpappeln verzeichnet. Falls der Baum eine Botschaft vermittelte, würde mein Lexikon sie mir nicht verraten. Als ich die Seite zusammenrollte und wieder mit dem Band verschnüren wollte, hielt ich mitten im Binden inne.
    In der kritzeligen Handschrift, die ich von den Preisangaben auf der Tafel kannte, war etwas auf die Innenseite des Bandes
     geschrieben:
Montag, fünf Uhr,
16
. Straße, Ecke Mission Street. Donuts zum Abendessen.
Die schwarze Tinte war in die Seide eingesickert, so dass man die Wörter kaum lesen konnte. Doch Uhrzeit und Ort waren eindeutig auszumachen.
    An diesem Morgen kaufte ich Blumen, ohne nachzudenken oder zu verhandeln. Und als ich eine Stunde später den Laden betrat, war ich überrascht von den Dingen, die ich mitgebracht hatte.
     
    Zu meiner Erleichterung gab es am Vormittag nicht viel zu tun. Es hatte sich noch nicht herumgesprochen, dass das Flora seine Öffnungszeiten verlängert hatte. Ich saß auf einem Barhocker hinter der Kasse und blätterte ein schweres Telefonbuch durch. Als

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