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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Straße und ihrem Garten hin und her und schien zu überlegen, wohin sie wollte.
    »Gemeine Disteln wachsen überall«, verkündete sie. »Vielleicht ist das der Grund, warum Menschen so gnadenlos grausam miteinander umgehen«, fügte sie hinzu. Sie machte den ersten Schritt in Richtung Straße und verzog das Gesicht. »Du musst mir helfen. Sonst schaffen wir es nie«, sagte sie und streckte die Hand nach meiner Schulter aus.
    »Hast du denn keinen Stock?«, fragte ich und wich der Berührung aus.
    Elizabeth lachte. »Nein, du vielleicht? Ich bin keine alte Frau, auch wenn es dir so vorkommt.« Als Elizabeth wieder die Hand nach mir ausstreckte, fuhr ich nicht zurück. Sie war so groß, dass sie sich aus der Taille vorbeugen musste, um sich auf meine Schulter zu stützen. Langsam steuerten wir auf die Straße zu. Einmal blieb sie stehen, um ihren Schuh zurechtzurücken, bevor wir weitergehen konnten. Meine Schulter brannte unter ihrer Hand.
    »Hier«, meinte Elizabeth, als wir die Straße erreicht hatten. Sie setzte sich in den Kies und lehnte sich an den Holzpfahl, auf dem der Briefkasten ruhte. »Siehst du? Überall.« Sie wies auf den Graben, der die Straße von den Reihen der Weinreben trennte. Der Graben war etwa so tief, wie ich groß war, und ein wenig breiter. Er strotzte nur so von steifen, trockenen Pflanzen ohne Blüten.
    »Ich kann nichts erkennen.« Ich war enttäuscht.
    »Klettere runter«, schlug sie vor. Ich drehte mich um und rutschte die steile Böschung aus Erde hinab. Elizabeth reichte mir Marmeladenglas und Schere. »Halte Ausschau nach zehn Cent großen Blüten, die früher einmal violett waren. Um diese Jahreszeit haben sie sich vermutlich braun verfärbt wie alles im nördlichen Kalifornien. Aber sie stechen. Also pass auf beim Pflücken, wenn du welche findest.«
    Ich nahm Glas und Schere und kauerte mich ins Unkraut. Das Gestrüpp war dicht und golden und roch nach Spätsommer. Ich schnitt eine trockene Pflanze, die, auf allen Seiten von Unkraut umgeben, hoch emporragte, an der Wurzel ab. Nachdem ich sie aus dem Gewirr gelöst hatte, warf ich sie Elizabeth auf den Schoß.
    »Ist das eine?«
    »Ja, aber sie hat keine Blüte. Such weiter.«
    Ich kletterte ein Stück die Böschung hinauf, um einen besseren Überblick zu haben, entdeckte allerdings trotzdem nichts Violettes. In meiner Wut griff ich nach einem Stein und schleuderte ihn, so fest ich konnte. Er traf ein Mauerstück an der gegenüberliegenden Böschung und flog zu mir zurück, so dass ich zur Seite springen musste. Elizabeth lachte.
    Wieder stieg ich ins Unkraut, teilte das Gestrüpp mit den Händen und musterte jeden trockenen Stengel. »Hier!«, rief ich schließlich aus, schnappte mir die kleeblattgroße Knospe und verstaute sie im Marmeladenglas. Die Blüte ähnelte einem kleinen goldenen Kugelfisch mit einem verblassten violetten Haarschopf. Als ich zu Elizabeth kletterte, um ihr die Blüte zu zeigen, hüpfte sie im Marmeladenglas hin und her wie etwas Lebendiges. Ich bedeckte das Glas mit der Hand, um sie an der Flucht zu hindern.
    »Distel!«, sagte ich und reichte ihr das Glas. »Für dich«, ergänzte ich. Dann streckte ich verlegen die Hand aus und tätschelte ihr kurz die Schulter. Es war vielleicht das erste Mal im Leben, dass ich, von mir aus, einen Schritt auf einen anderen Menschen zuging – zumindest, soweit ich wusste. Meredith hatte mir erzählt, ich sei ein anlehnungsbedürftiges Baby gewesen, das sich mit unruhigen, rosigen Fäusten an Haaren, Ohren oder Fingern festklammerte, wenn es sie erwischen konnte. Ansonsten hätte ich mich an die Gurte des Kindersitzes gehalten. Doch ich erinnerte mich nicht daran, weshalb mich meine Handlung – der kurze Kontakt meiner Handfläche mit Elizabeths Schulterblatt – überraschte. Ich wich zurück und betrachtete Elizabeth zornig, als hätte sie mich dazu gezwungen.
    Aber Elizabeth lächelte nur. »Wenn ich die Bedeutung nicht kennen würde, wäre ich begeistert«, meinte sie. »Ich glaube, so nett bist du noch nie zu mir gewesen, und all das nur, um deinen Hass und deinen Argwohn gegenüber der Menschheit auszudrücken.« Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag traten ihr die Tränen in die Augen. Und wie zuvor wirkte sie nicht traurig.
    Sie schickte sich an, mich zu umarmen. Doch ehe sie mich an sich ziehen konnte, entschlüpfte ich ihr und flüchtete mich in den Graben.

14.
    D er eigentlich feste Stuhl, auf dem ich saß, begann sich zu verflüssigen. Ehe ich wusste,

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