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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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wenigen Stunden völlig vergessen.
    »Wie war dein erster Schultag?«, fragte sie.
    »Scheußlich«, erwiderte ich. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und streckte die Beine, so weit ich konnte, um an Elizabeth vorbeizukommen. Doch ihre knochigen Finger schossen nach vorne und schlossen sich um meinen Knöchel.
    »Setz dich«, befahl sie. Ihr fester Griff verhinderte meinen Fluchtversuch. Also drehte ich mich um und ließ mich eine Stufe unter ihr nieder, um ihrem Blick auszuweichen. Aber sie zog mich am Kragen hoch, so dass ich sie ansehen musste.
    »Schon besser«, meinte sie und gab mir einen Teller mit einer aufgeschnittenen Birne und einem Muffin darauf. »Jetzt iss. Ich habe eine Aufgabe für dich, die wahrscheinlich den ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen wird. Also fängst du am besten gleich nach dem Essen an.« Es ärgerte mich, dass Elizabeth eine gute Köchin war. Sie versorgte mich so ausgezeichnet, dass ich den Schmelzkäse in meiner Schreibtischschublade noch nicht hatte anrühren müssen. Die Birnenscheiben auf meinem Teller waren geschält und vom Kerngehäuse befreit. Der Muffin strotzte von warmen Bananenstücken und geschmolzenen Erdnussbutterklümpchen. Ich aß ihn bis auf den letzten Bissen auf und trank anschließend ein Glas Milch.
    »So«, meinte sie. »Jetzt müsstest du gestärkt genug sein, um so lange zu arbeiten, wie nötig ist, um jeden einzelnen Stachel aus meinen Schuhsohlen zu entfernen.« Sie reichte mir ein Paar Lederhandschuhe, die für meine Hände viel zu groß waren, eine Pinzette und eine Taschenlampe. »Wenn du fertig bist, ziehst du die Schuhe an und gehst dreimal die Treppe rauf und runter, damit ich sehe, ob du auch erfolgreich warst.«
    Ich schleuderte die Handschuhe die Treppe hinunter, dass sie wie vergessene Hände im Staub landeten. Dann steckte ich die bloßen Hände in die dunkle Höhle ihres Schuhs und tastete mit den Fingern das weiche Leder nach Stacheln ab. Wenn ich auf einen stieß, umfasste ich ihn mit den Fingernägeln, zog ihn heraus und warf ihn auf den Boden.
    Elizabeth beobachtete mich, während ich ruhig und konzentriert mit meiner Tätigkeit fortfuhr: erst die Unterseite jedes Schuhs, dann die Seiten und zu guter Letzt die Schuhspitze. Der Schuh, den Elizabeth angezogen hatte, bereitete mir die größte Mühe, denn ihr Gewicht hatte die Stacheln ganz durch das Leder getrieben. Wie eine achtlose Chirurgin hebelte ich jeden Stachel mit der Pinzette heraus.
    »Was dann, wenn nicht brennende Liebe?«, erkundigte sich Elizabeth, als ich beinahe fertig war. »Wenn du nicht deine ewige Hingabe und leidenschaftliche Treue zu mir ausdrücken wolltest, was dann?«
    »Das habe ich dir schon vor der Schule gesagt«, entgegnete ich. »Kaktus heißt, dass ich dich hasse.«
    »Tut es eben nicht«, gab Elizabeth mit Nachdruck zurück. »Ich kann dir zeigen, welche Blume für Hass steht. Allerdings ist das Wort Hass ziemlich ungenau. Hass kann leidenschaftlich oder eiskalt sein. Er kann aus Abneigung, aber auch aus Angst entstehen. Wenn du mir genau erklärst, was du empfindest, kann ich dir helfen, die richtige Blume zu finden, um deine Gefühle zu äußern.«
    »Ich mag dich nicht«, erwiderte ich. »Ich mag es nicht, wenn du mich aussperrst oder mich ins Spülbecken schubst. Ich mag es nicht, wenn du mich am Rücken anfasst oder nach meinem Gesicht greifst oder mich zwingst, mit Perla zu spielen. Ich mag deine Blumen, deine Botschaften und deine knochigen Finger nicht. Ich mag überhaupt nichts an dir, und an der Welt mag ich auch nichts.«
    »Viel besser!« Elizabeth schien von meinem hasserfüllten Monolog tatsächlich beeindruckt »Die Blume, die du suchst, ist eindeutig die Gemeine Distel, die Misanthropie symbolisiert. Misanthropie bedeutet Hass oder Argwohn gegenüber der Menschheit als solcher.«
    »Heißt Menschheit alle Leute?«
    »Ja.«
    Ich dachte darüber nach.
Misanthropie
. Noch nie hatte jemand meine Gefühle in einem einzigen Wort zusammengefasst. Ich wiederholte es, bis ich sicher war, dass ich es nicht mehr vergessen würde.
    »Hast du welche da?«
    »Ja«, antwortete sie. »Wenn du deine Aufgabe erledigt hast, suchen wir gemeinsam. Ich muss noch ein Telefonat führen und bin in der Küche, bis ich es hinter mir habe. Wenn wir beide fertig sind, schauen wir uns zusammen nach einer Distel um.«
    Elizabeth humpelte ins Haus. Nachdem die Fliegengittertür zugefallen war, kauerte ich mich unter das Fenster. Dabei tastete ich weiter das weiche Leder von

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