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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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eine Vergebung. Ich wollte sie in mich aufsaugen und mitnehmen, um mich ein bisschen weniger getrieben und hasserfüllt dem nächsten Tag stellen zu können.
    Also holte ich Luft. »Ich sterbe vor Hunger«, antwortete ich.
    »Ich auch.« Er schob mein Wörterbuch zu mir hinüber. »Dann lass uns etwas essen und vergleichen. Es ist die einzige Möglichkeit.«
    Grant und ich gingen in Mary’s Diner, und zwar deshalb, weil dieses Restaurant die ganze Nacht geöffnet hatte. Schließlich mussten wir Hunderte von Seiten voller Blumen miteinander abgleichen und bei jedem Widerspruch über die bessere Lösung debattieren. Wir einigten uns darauf, dass der Verlierer die alte Definition in seinem Wörterbuch durchstreichen und die neue hineinschreiben würde.
    Schon bei der ersten Blume gerieten wir ins Stocken. Laut Grants Wörterbuch stand die Akazie für Freundschaft, laut meinem für heimliche Liebe.
    »Heimliche Liebe«, sagte ich. »Weiter.«
    »Weiter? Einfach so? Deine Begründung war nicht sehr überzeugend.«
    »Sie ist dornig und kommt aus dem Ausland. Allein das Schwanken des Baums lässt einen an Männer denken, die einen im Supermarkt so komisch anstarren. Nicht vertrauenswürdig.«
    »Und was hat mangelndes Vertrauen mit heimlicher Liebe zu tun?«, erkundigte sich Grant.
    »Und was nicht?«, gab ich zurück.
    Da Grant offenbar keine Antwort darauf einfiel, versuchte er es mit einer anderen Taktik. »Akazie. Unterart:
Mimosoideae
. Art:
Fabaceae
. Hülsenfrucht. Bietet Nahrung und Kraft und stärkt den menschlichen Körper. Wie ein guter Freund.«
    »Pah«, widersprach ich. »Fünf Blütenblätter. So klein, dass der große Stempel sie beinahe verbirgt. Verbirgt«, wiederholte ich. »Heimlich. Stempel: Liebe.« Obwohl ich bei diesen Worten rot anlief, wandte ich mich nicht ab. Grant auch nicht.
    »Du hast gewonnen«, sagte er schließlich und griff nach dem schwarzen Markierstift, der zwischen uns auf dem Tisch lag.
    So aßen und diskutierten wir stundenlang weiter. Vor Grant war ich noch nie jemandem begegnet, der Bissen für Bissen mit mir mithalten konnte und wie ich offenbar niemals satt wurde. Als die Sonne aufging, hatten wir drei Gerichte pro Person verspeist und die C erst zur Hälfte durchgearbeitet.
    Grant gab sich in Sachen Clematis geschlagen und klappte sein Wörterbuch zu. Ich hatte ihn kein einziges Mal gewinnen lassen. »Heute wird offenbar nichts aus dem Markt«, meinte er und sah mich schuldbewusst an.
    Ich schaute auf die Uhr. Es war sechs. Renata war sicher schon dort und betrachtete erstaunt Grants leeren Stand. Ich zuckte die Achseln. »Im November ist nicht viel los, dienstags auch nicht. Nimm dir einen Tag frei.«
    »Und was mache ich damit?«, fragte Grant.
    »Woher soll ich das wissen?« Ich war müde und wollte allein sein.
    Also stand ich auf, streckte mich und steckte das Wörterbuch ein. Nachdem ich Grant die Rechnung hingeschoben hatte, verließ ich das Restaurant, ohne mich zu verabschieden.

1.
    W ie Elizabeth war Grant ein Mensch, den man nur schwer vergaß. Es lag nicht nur daran, dass unsere Wege sich in der Vergangenheit gekreuzt hatten. Auch nicht an der Zeichnung, die die Silberpappel darstellte und mir durch ihre Uneindeutigkeit die Wahrheit über die Sprache der Blumen eröffnet hatte. Der Grund war Grant selbst, der Ernst, den er Blumen angedeihen ließ, und der gleichzeitig flehende und bestimmte Klang seiner Stimme beim Debattieren. Dass er auf mein Beileid zum Tod seiner Mutter mit einem Achselzucken reagiert hatte, machte mich ebenfalls neugierig. Seine Vergangenheit war, mit Ausnahme der Momente, die ich hatte miterleben können, ein Geheimnis für mich. Da Mädchen in Betreuungseinrichtungen ihre Vorgeschichte für gewöhnlich gnadenlos preisgaben, hatte ich die seltene Mitbewohnerin, die ihre Kindheit nicht in allen Einzelheiten ausbreitete, stets als eine Erleichterung empfunden. Bei Grant war es anders. Nach nur einer Nacht wollte ich mehr erfahren.
    Eine Woche lang stand ich früh auf und verbrachte die Stunden, die die Bibliothek geöffnet hatte, damit, die Definitionen zu vergleichen. Ich hatte mir die Taschen mit glatten Steinen vollgestopft, die aus einem Kunstwerk vor dem japanischen Teehaus im Golden Gate Park stammten, und benutzte sie nun als Briefbeschwerer. Ich reihte die Wörterbücher auf zwei Tischen auf, öffnete sie bei demselben Buchstaben und legte die Steine auf die Ecken der Seiten. Dann ging ich von Buch zu Buch und verglich die Eintragungen

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