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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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auf die Uhr: 14:15.
    »Ich lade nur noch die da in den Laster«, meinte ich zu Renata und griff nach so vielen Vasen, wie ich tragen konnte. Da sie zu voll waren, schwappte Wasser über den Rand und durchtränkte mein Hemd.
    »Zerbrich dir nicht den Kopf darüber«, erwiderte Renata. »Grant wartet schon seit zwei Stunden auf der Vortreppe. Ich habe ihn gewarnt, bloß nicht meine Kundschaft zu vergraulen, indem er dort herumsitzt. Außerdem müsse er als Gegenleistung die schweren Lasten für mich schleppen.«
    »Und er war einverstanden?«
    Sie nickte.
    Ich stellte die Vasen ab. Als ich meinen Rucksack schulterte und Renata zum Abschied zuwinkte, wich ich ihrem Blick aus. Grant saß, an die von der Sonne erwärmte Backsteinmauer gelehnt, auf dem Gehweg. Bei meinem Anblick zuckte er zusammen und sprang auf.
    »Was machst du hier?« Mein vorwurfsvoller Tonfall überraschte mich.
    »Ich möchte dich in meine Gärtnerei mitnehmen. Ich habe Schwierigkeiten mit einigen deiner Definitionen, und wenn du die Blumen in der Hand hältst, wirst du sie besser verstehen. Du weißt, dass ich nicht gut im Diskutieren bin.«
    Ich schaute den Hügel hinauf und hinunter. Obwohl ich Grant gerne begleiten wollte, machte mich seine Gegenwart nervös. Ich fühlte mich, als täte ich etwas Verbotenes. Ob es ein Überrest aus meiner Zeit mit Elizabeth war oder ob unser Verhältnis einer Liebelei oder Freundschaft, zwei Dingen, die ich mein Leben lang umschifft hatte, zu nahe kam, konnte ich nicht sagen. Also ließ ich mich auf dem Randstein nieder, um nachzudenken.
    »Gut«, meinte er, als handle es sich bei meinem Hinsetzen um eine Geste der Zustimmung. Er hielt mir seinen Autoschlüssel hin und wies mit dem Kopf auf die andere Straßenseite. »Du kannst im Laster warten, wenn du willst, während ich Renatas Blumen einlade. Ich habe etwas zum Mittagessen mitgebracht.«
    Das Wort Mittagessen vertrieb meine Zweifel, so dass ich nach dem Schlüssel griff. Im Führerhaus stand eine weiße Papiertüte auf dem Beifahrersitz. Ich nahm sie und stieg ein. Überall im Laster lagen die Überreste von Blumen herum. Der Boden war mit abgebrochenen Stengeln bedeckt, und welke Blütenblätter rieben sich in die Sitzpolster ein. Ich lehnte mich zurück und öffnete die Tüte. Ein großes Baguettebrötchen belegt mit Truthahn, Speck, Tomate und Avocado mit Mayonnaise. Ich biss hinein.
    Auf der anderen Straßenseite trug Grant die Vasen paarweise den Hügel hinauf. Nur einmal blieb er stehen und schaute hinunter, wo ich im geparkten Auto saß. Er lächelte.
Schmeckt’s?,
las ich ihm von den Lippen ab.
    Ich versteckte mein Gesicht hinter dem Sandwich.

2.
    A ls ich in den Schulbus stieg, wich der Fahrer zurück. Ich erkannte seinen Gesichtsausdruck – Mitleid, Abneigung und ein ordentliches Quentchen Angst – und knallte beim Hinsetzen meinen Tornister auf den leeren Sitz. Der einzige Grund, mich zu bemitleiden, war die Tatsache, dass ich den ganzen Weg bis zur Schule seinen hässlichen Glatzkopf würde anschauen müssen, dachte ich wütend.
    Perla ließ sich auf der anderen Seite des Gangs nieder und rückte ihr Schinkenbrot heraus, bevor ich Gelegenheit hatte, es einzufordern. Nach zwei Monaten Schule hatte sie gelernt zu parieren. Ich riss große Stücke davon ab, stopfte sie in den Mund und dachte dabei daran, dass Elizabeth heute Morgen aus dem Haus gehetzt war. Ich hatte selbst mein Pausenbrot einpacken und meine Schuhe suchen müssen. Dabei hatte ich gar nicht zur Schule gehen wollen und sie angefleht, am ersten Tag der Weinlese zu Hause bleiben zu dürfen. Doch sie hatte nicht auf meine Bitten geachtet, selbst dann nicht, als ich gehässig geworden war.
Wenn du mich lieben würdest, würdest du mich hierbehalten wollen,
hatte ich gerufen und mit meinem Mathebuch auf ihren Hinterkopf gezielt, als sie hinausgeeilt war. Aber ich war zu langsam gewesen. Sie hastete davon, lief die Vortreppe hinunter und drehte sich nicht einmal um, als das Buch den Türrahmen traf. An ihrem Schritt erkannte ich, dass sie nicht an mich dachte. Das war den ganzen Morgen schon so gewesen. Die Weinlese war anstrengend und nahm sie voll in Anspruch, weshalb sie nicht wollte, dass ich ihr im Weg herumstand. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, zu wissen, was wirklich in Elizabeth vorging, und schrie ihr nach, sie sei auch nicht anders als meine übrigen Pflegemütter. Dann marschierte ich zornig zur Bushaltestelle, ohne auf die Blicke der in zahlreichen Lastwagen

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