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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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spiralförmige Kabel.
    Je mehr Elizabeth sich mit Catherine, oder besser ihrem Anrufbeantworter, unterhielt, desto auffälliger wurde für mich, dass sie sonst mit kaum jemandem redete. Sie verließ das Anwesen nur, um zum Bauernmarkt, zum Lebensmittelladen, zum Baumarkt und hin und wieder zur Post zu fahren. Letzteres tat sie nur, um Pflanzen abzuholen, die sie aus einem Gartenkatalog bestellt hatte, nie um Briefe abzuschicken oder zu empfangen. Dabei war offensichtlich, dass sie jeden in dieser kleinen Ortschaft kannte. Sie bat den Metzger, seiner Frau Grüße auszurichten, und wenn sie sich auf dem Bauernmarkt einem Stand näherte, nannte sie jeden Händler beim Namen. Doch sie betrieb keine Konversation mit diesen Leuten. Ich war ziemlich sicher, dass ich in der ganzen Zeit, die ich bei ihr verbrachte, kein einziges Mal Zeugin eines Gesprächs wurde. Wenn nötig, wechselte sie ein paar Worte mit Carlos, jedoch ging es dabei immer nur um das Weingut. Sie wichen kein einziges Mal vom Thema ab.
    Als wir, ich den Kopf in Elizabeths Schoß, zu Catherine fuhren, verglich ich mein ruhiges Leben bei ihr mit den Bedingungen, die ich bis jetzt für selbstverständlich gehalten hatte: große Familien, von Lärm erfüllte Häuser, Sozialbehörden, geschäftige Städte, Gewaltausbrüche. Ich wollte nicht zurück. Ich mochte Elizabeth. Ihre Blumen, ihre Weintrauben und ihre hingebungsvolle Aufmerksamkeit. Endlich hatte ich, wie mir klarwurde, einen Ort gefunden, an dem ich mich zu Hause fühlte.
    Elizabeth fuhr an den Straßenrand, stoppte den Wagen und holte ängstlich und tief Luft.
    »Was hat sie dir denn getan?«, erkundigte ich mich, plötzlich interessiert wie noch niemals je zuvor.
    Meine Frage schien Elizabeth nicht zu überraschen, auch wenn sie nicht sofort antwortete. Sie streichelte mir Stirn, Wange und Schulter. Als sie endlich das Wort ergriff, war ihre Stimme nur ein Flüstern. »Sie hat die gelben Rosen gepflanzt.«
    Mit diesen Worten zog sie die Handbremse an und umfasste den Türgriff. »Komm«, sagte sie. »Es ist Zeit, dass du Catherine kennenlernst.«

3.
    G rant fuhr durch die Stadt. Sein riesiger Pick-up wurde langsamer, wenn er auf einer verstopften Kreuzung eine enge Kurve nehmen
     musste.
    »Grant?«, begann ich.
    »Ja.«
    Ich suchte die zerknitterte weiße Papiertüte nach Krümeln ab, fand jedoch keine. »Ich will Elizabeth nicht sehen.«
    »Und?«
    Die Antwort war so unklar wie die Anspielung mit der Silberpappel. »Was und?«
    »Wenn du sie nicht sehen willst, dann sieh sie eben nicht.«
    »Kommt sie nicht zur Gärtnerei?«
    »Sie war nicht mehr dort, seit dem Tag, an dem du sie begleitet hast, und das ist fast zehn Jahre her.« Grant schaute hinaus aufs Wasser, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Doch als er weitersprach, war seine Stimme leise. »Sie war nicht einmal auf der Beerdigung meiner Mutter. Glaubst du etwa, sie würde sich blicken lassen, nur weil du da bist?«
    Als er das Fenster herunterkurbelte, bildete der Wind eine Wand zwischen uns.
    Grant und Elizabeth hatten keinen Kontakt zueinander. Obwohl er das schon im Donut-Café gesagt hatte, hatte ich es nicht für möglich gehalten. Sicher kannte Grant die Wahrheit, und falls sich das so verhielt, hätte ihn doch nichts daran gehindert, sie Elizabeth zu verraten. Während der restlichen Fahrt grübelte ich über einer Erklärung. Aber als Grant vor dem abgeschlossenen Metalltor hielt, war mir noch immer nichts eingefallen. Er hielt an, stieg aus, kehrte zum Wagen zurück und lenkte ihn durch das offene Tor.
    Der Anblick der Blumen riss mich aus meinen Gedanken. Ich sprang aus dem Auto und fiel am Straßenrand auf die Knie. Gewiss gab es irgendwo einen Zaun, der das Grundstück begrenzte, doch er war nicht zu sehen, so dass sich die Blumen bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schienen. Ein kleiner Gartenpfosten, auf dem ein mir unbekannter lateinischer Name stand, benannte die Art und Spezies der daneben wachsenden Pflanze. Ich hielt mir Fäuste voller kleiner gelber Blüten ans Gesicht, als wäre ich nach vielen Tagen in der Wüste endlich auf Wasser gestoßen. Pollen klebte an meinen Wangen, und Blütenblätter ergossen sich über Brust, Bauch und Schenkel. Grant lachte.
    »Ich gebe dir einen Moment«, meinte er und stieg wieder in den Laster. »Wenn du fertig bist, komm hinters Haus.« Gefolgt von einer Staubwolke, holperte sein Wagen die Straße entlang.
    Ich legte mich zwischen die Blumenreihen auf die Erde und tauchte

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