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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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wirkende Verkäuferin, die einen blauen Kittel trug.
    »Weniger«, erwiderte sie. »Ich habe seit Tagen keinen Film mehr zum Entwickeln bekommen.«
    Ich verdrückte mich in den nächsten Gang. Der Laden hatte T-Shirts im Sonderangebot – drei für fünf Dollar. Ich nahm die obersten drei von einem hohen Stapel und legte sie zu den Filmrollen, einer Zahnbürste, Deo und Haargel in meinen Einkaufskorb. Grant stand an der Kasse, verspeiste einen Schokoriegel und beobachtete mich, während ich durch die Gänge schlenderte. Ich streckte den Kopf um die Ecke. Als ich feststellte, dass der Laden leer war, gesellte ich mich zu ihm an die Kasse.
    »Frühstück?«, fragte ich. Grant nickte. Ich griff nach einem Payday-Riegel und pickte die Erdnüsse heraus, bis nur noch ein klebriger Karamellstreifen übrig war.
    »Das ist das Beste daran«, stellte Grant fest und wies mit dem Kopf auf das Karamell. Ich überließ es ihm, und er verspeiste es rasch, als könnte ich es mir anders überlegen und den Riegel zurückverlangen. »Offenbar magst du mich mehr, als du dir eingestehst«, sagte er grinsend.
    Die Tür öffnete sich, und ein älteres Paar kam händchenhaltend auf uns zu. Der Rücken der Frau war gebeugt, und der Mann hatte ein steifes Bein, so dass es aussah, als zöge sie ihn durch die Tür. Der alte Mann musterte mich von Kopf bis Fuß. Sein jungenhaftes Lächeln wollte nicht zu seiner mit Altersflecken bedeckten Haut passen.
    »Grant«, meinte er und wies mit dem Kopf auf mich. »Gut gemacht, mein Junge, gut gemacht.«
    »Danke, Sir«, erwiderte Grant und blickte zu Boden. Der Mann hinkte weiter. Nach ein paar Schritten klopfte er seiner Frau auf den Po, drehte sich um und zwinkerte Grant zu.
    Kopfschüttelnd schaute Grant zwischen mir und dem alten Mann hin und her. »Er war ein Freund meiner Mutter«, erklärte er, als das Paar außer Hörweite war. »Anscheinend glaubt er, dass es bei uns in sechzig Jahren auch so sein wird.«
    Ich verdrehte die Augen, griff nach einem zweiten Payday-Riegel und ging zur Fototheke, um zu warten. Es gab auf der Welt nichts Unwahrscheinlicheres, als dass Grant und ich uns in sechzig Jahren an den Händen halten würden. Die Verkäuferin reichte mir die erste, bereits entwickelte Filmrolle. Die Abzüge waren fertig, die Negative geschnitten und in einer durchsichtigen Hülle verstaut. Ich reihte die Fotos auf der hellgelben Theke auf.
    Die ersten zehn waren verschwommen. Keine unkenntlichen weißen Kleckse wie bei meinem ersten Versuch, aber weiterhin undeutlich. Ab dem elften wurden sie scharf, waren aber noch immer nichts, worauf ich stolz sein konnte. Die Verkäuferin schob einen Film nach dem anderen zu mir hinüber. Ich ordnete die Fotos an, wobei ich darauf achtete, nichts durcheinanderzubringen.
    Grant stand da und fächelte sich mit fünf leeren Schokopapieren Kühlung zu. Den Abzug in der Hand, kam ich auf ihn zu. Es war das sechzehnte Foto aus der achten Rolle – eine makellose weiße Rose, hell und klar. Der dunkle Hintergrund bildete einen natürlichen Rahmen. Grant beugte sich vor, als wolle er daran schnuppern, und nickte. »Ausgezeichnet.«
    »Lass uns verschwinden«, meinte ich, bezahlte für die Sachen in meinem Korb und Grants Schokoriegel und wollte hinausgehen.
    »Deine Fotos?«, wandte Grant ein und betrachtete das Meer aus Abzügen, das ich auf der Fototheke zurückgelassen hatte.
    »Ich brauche nur das hier«, erwiderte ich und hielt den Abzug hoch.

8.
    D en Rücken an den Stamm einer dicken Weinrebe gepresst, lauschte ich dem Klicken von Elizabeths Wischmopp. Eigentlich hätte ich meinen Morgenspaziergang machen sollen, hatte aber keine Lust dazu. Elizabeth hatte sämtliche Fenster des Hauses geöffnet, um die erste warme Frühlingsluft hereinzulassen. Von meinem Posten in der dem Haus am nächsten gelegenen Reihe von Reben konnte ich jede ihrer Bewegungen hören.
    Inzwischen verbrachte ich schon sechs Monate bei Elizabeth zu Hause und hatte mich an ihre Methode des Heimunterrichts gewöhnt. Ich hatte kein Pult. Elizabeth schaffte auch keine Tafel, Lehrbücher oder Diagramme an. Stattdessen hatte sie einen Zeitplan an die Kühlschranktür geheftet – ein hauchdünnes, zart beschriftetes Stück Reispapier, dessen Ecken sich um die silbernen runden Magnete kräuselten. Die Tätigkeiten und Aufgaben auf diesem dünnen Blatt Papier waren meine Pflichten.
    Elizabeths Liste war ausführlich, fordernd und präzise, wurde jedoch niemals länger und veränderte sich

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