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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Küchentisch nieder und wartete darauf, dass er zurückkam, um mich nach Hause zu fahren, aber er tat es nicht. Also trank ich noch mehr Orangensaft und schaute aus dem Fenster. Als ich wieder hungrig wurde, durchsuchte ich den Schrank, stieß auf eine noch nicht angebrochene Packung Kekse und verspeiste den gesamten Inhalt. Von Grant fehlte noch immer jede Spur. Ich setzte den Teekessel auf, stand daneben und wärmte mir die Hände an der offenen blauen Flamme. Der Teekessel pfiff.
    Ich füllte zwei Tassen, holte Teebeutel aus einer Schachtel auf der Anrichte und stieg die Treppe hinauf.
    Grant saß, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß, im ersten Stock auf dem orangefarbenen Sofa. Ich reichte ihm eine Tasse und setzte mich vor das Bücherregal auf den Boden. Das Zimmer war so klein, dass er meine Knie mit den Zehen hätte berühren können, wenn er die Beine ausstreckte, und das obwohl ich so weit entfernt wie möglich Platz genommen hatte. Ich drehte mich zum Bücherregal um. Auf dem untersten Regalbrett lag ein Stapel dicker Wälzer: Gartenbücher und dazwischen hauptsächlich Lehrbücher in Biologie und Botanik.
    »Biologie?«, fragte ich erstaunt, griff nach einem und schlug es bei der wissenschaftlichen Abbildung eines Herzens auf.
    »Ich hatte einen Kurs an einem staatlichen College belegt. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich mir kurz überlegt, ob ich die Gärtnerei verkaufen und studieren soll. Doch ich habe den Kurs nach der Hälfte abgebrochen. Ich konnte es in den Hörsälen nicht aushalten. Zu viele Menschen und zu wenig Blumen.«
    Aus dem Herzen ragte eine dicke blaue Vene. Ich fuhr sie mit dem Finger nach und sah Grant an. »Was liest du da?«
    »Gertrude Stein.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte noch nie von ihr gehört.
    »Die Dichterin?«, meinte er. »Du weißt schon: ›Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.‹?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf. »In ihrem letzten Lebensjahr war meine Mutter regelrecht besessen von ihr«, fuhr Grant fort. »Sie hatte den Großteil ihres Lebens die viktorianischen Dichter gelesen. Als sie Gertrude Stein entdeckte, sagte sie mir, sie fände sie tröstlich.«
    »Was soll das heißen? ›Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.‹?«, fragte ich. Als ich das Biologiebuch zuklappte, starrte mir ein menschliches Skelett entgegen. Ich tippte auf die leere Augenhöhle.
    »Dass die Dinge das sind, was sie sind«, erwiderte er.
    »Eine Rose ist eine Rose.«
    »Ist eine Rose«, beendete er mit einem leichten Lächeln den Satz.
    Ich dachte an all die Rosen im Garten unter uns, an ihre verschiedenen Farben und Altersstufen. »Mit Ausnahme der gelben«, entgegnete ich, »und der roten, der rosafarbenen, der noch nicht aufgegangenen und der sterbenden.«
    »Das habe ich auch immer gedacht«, meinte Grant. »Aber ich gebe Ms. Stein die Chance, mich zu überzeugen.« Er wandte sich wieder dem Buch zu.
    Ich nahm noch ein Buch von einem höher gelegenen Regalbrett. Es war ein dünner Gedichtband. Elizabeth Barrett Browning. Ich hatte den Großteil ihrer Werke als Jugendliche gelesen, da ich festgestellt hatte, dass romantische Dichter sich häufig auf die Sprache der Blumen bezogen. Deshalb hatte ich alles verschlungen, was ich in die Finger bekommen konnte. Die Seiten des Buches hatten Eselsohren und waren an den Rändern mit Anmerkungen bekritzelt. Das Gedicht, das ich aufgeschlagen hatte, hatte elf Strophen, die alle mit den Worten
liebe mich
begannen. Ich war überrascht. Obwohl ich sicher war, das Gedicht zu kennen, erinnerte ich mich nicht an die Dutzenden von Anspielungen auf die Liebe, nur an die Blumen. Ich stellte das Buch zurück, nahm ein anderes und dann das nächste. Währenddessen saß Grant schweigend da und blätterte Seite um Seite um. Ich sah auf die Uhr. Zehn nach zehn.
    Grant blickte auf. Er schaute ebenfalls auf die Uhr und dann aus dem Fenster. Es regnete immer noch. »Möchtest du nach Hause?«
    Die Straßen waren aufgeweicht; das Vorwärtskommen würde mühsam werden. Außerdem würde ich nach dem zwei Häuserblocks weiten Weg zwischen dem Flora und meinem blauen Zimmer klatschnass sein. Hinzu kam, dass Natalyas Band probte. Renata brauchte mich am nächsten Tag nicht. Nein, mir wurde klar, dass ich eigentlich nicht unbedingt nach Hause wollte.
    »Habe ich eine andere Wahl?«, sagte ich. »Ich schlafe nicht mit dir in einem Bett.«
    »Ich bleibe nicht hier. Du kannst mein Bett haben. Oder auf dem Sofa übernachten. Wie du willst.«
    »Woher weiß

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