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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Stimme hatte sie offenbar verärgert, denn ihr Tonfall war nun nicht mehr besorgt, sondern vorwurfsvoll. »Es ist vier Uhr nachmittags! Und Sie haben Ihren Gerichtstermin verpasst. Ihretwegen haben die Richterin und ich dagesessen, einander angestarrt und uns gefragt, wo Sie und Victoria …« Sie brach mitten im Satz ab. »Wo ist Victoria?«
    »Vor einer Minute war sie noch hier«, flüsterte Elizabeth.
Vor Stunden,
hätte ich am liebsten geschrien. Ich war vor Stunden bei ihr gewesen. Um zwölf, als feststand, dass wir bestimmt nicht mehr zum Gericht fahren würden, hatte ich das Schlafzimmer verlassen. »Haben Sie in der Küche nachgesehen?«
    Als Meredith antwortete, schien sie näher gekommen zu sein. »Habe ich«, sagte sie. »Aber ich schaue noch einmal nach.« Ich stand auf und wollte mich die Treppe hinunterpirschen, doch zu spät. »Victoria«, befahl Meredith. »Komm zurück.«
    Ich drehte mich um und folgte Meredith in mein Zimmer. Am frühen Nachmittag hatte ich Shorts und ein T-Shirt angezogen. Das Kleid lag auf meinem Schreibtisch. Meredith setzte sich und fuhr mit dem Finger über die Samtblumen. Ich riss ihr das Kleid aus der Hand, knüllte es zusammen und schleuderte es unter das Bett.
    »Was ist hier los?«, fragte Meredith. Ihr Tonfall war ebenso vorwurfsvoll wie vorhin bei Elizabeth. Ich zuckte die Achseln.
    »Glaube bloß nicht, dass du dastehen und mich anschweigen kannst. Alles klappt wunderbar, Elizabeth liebt dich, du bist glücklich – und dann bleibt ihr der Adoptionsanhörung fern? Was hast du angestellt?«
    »Gar nichts!«, rief ich. Zum ersten Mal im Leben entsprach es der Wahrheit, auch wenn Meredith keinen Grund hatte, mir zu glauben. »Elizabeth ist müde, du hast sie ja gehört. Lass uns einfach in Ruhe.« Ich kroch ins Bett, zog die Decke hoch und drehte das Gesicht zur Wand.
    Meredith erhob sich mit einem lauten, ungeduldigen Seufzer. »Etwas ist hier faul«, meinte sie. »Entweder hast du etwas Schreckliches getan – wovon ich ausgehe –, oder Elizabeth ist psychisch nicht als Mutter geeignet. Jedenfalls denke ich, dass du hier nicht mehr gut aufgehoben bist.«
    »Es ist nicht Ihre Aufgabe zu entscheiden, was gut für Victoria ist«, sagte Elizabeth ruhig. Ich setzte mich auf und wandte mich zu ihr um. Sie lehnte schwer am Türrahmen, als müsse sie sich daran festhalten, um nicht zu stürzen, und hatte sich einen hellrosafarbenen Bademantel umgewickelt. Das Haar fiel ihr verfilzt über die Schultern.
    »Genau das ist meine Aufgabe«, widersprach Meredith und trat auf Elizabeth zu. Obwohl sie weder größer noch stärker als Elizabeth war, überragte sie ihre zusammengesackte Gestalt. Ich fragte mich, ob Elizabeth sich vor ihr fürchtete. »Es wäre nicht mehr meine Aufgabe, wenn Sie heute Morgen um elf bei Gericht erschienen wären, und Sie können mir glauben, dass ich die Verantwortung für dieses Kind gerne los wäre. Aber offenbar soll es nicht sein. Was hat sie getan?«
    »Nichts«, erwiderte Elizabeth.
    Da ich Merediths Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich nicht, ob sie ihr das abnahm. »Wenn Victoria nichts getan hat, muss ich Sie melden. Sie bekommen eine schriftliche Verwarnung wegen Versäumens eines Gerichtstermins und des Verdachts auf Vernachlässigung. Hat Victoria heute schon etwas gegessen?« Ich hob mein T-Shirt an, das nach meinem Imbiss Erdnussbutterflecken aufwies, doch weder Meredith noch Elizabeth schauten in meine Richtung.
    »Ich weiß nicht«, sagte Elizabeth.
    Meredith nickte. »Genau das habe ich mir gedacht.« Sie ging zur Tür und schob sich an Elizabeth vorbei. »Wir reden im Wohnzimmer weiter. Victoria braucht bei dem Gespräch, das wir beide jetzt führen werden, nicht dabei zu sein.«
    Ich folgte ihnen nicht die Treppe hinunter, weil ich es nicht hören wollte. Alles sollte so sein wie am Tag zuvor, als ich noch darauf vertraut hatte, dass Elizabeth mich adoptieren wollte. Ich wälzte mich zur anderen Seite des Bettes, griff darunter, tastete nach meinem zusammengeknüllten Kleid, holte es zu mir ins Bett, drückte es vor die Brust und presste mein Gesicht in den Samt. Das Kleid roch noch nach dem Laden. Wie neues Holz und Glasrein. Ich erinnerte mich an das Gefühl von Elizabeths Armen unter meinen Achseln und fest um meine Brust und an ihren Gesichtsausdruck, als unsere Blicke sich im Spiegel trafen.
    Von unten wehten Fetzen eines Streits zu mir hinauf. Hauptsächlich hörte ich Merediths erhobene Stimme.
Sie hat Sie oder gar

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